Die Europäische Kommission hat eine zentrale Datenbank für öffentliche Finanz- und Nachhaltigkeitsinformationen über EU-Unternehmen und EU-Anlageprodukte auf den Weg gebracht. Diese europäische digitale Plattform (ESAP, European Single Access Point) ist Teil des Aktionsplans für die Kapitalmarktunion (CMU) 2020, ein Eckpfeiler der EU-Digitalisierungsstrategie, und soll die Ziele des Green Deals unterstützen.
Nachdem das Gesetzgebungsverfahren zum ESAP mit dem Legislativvorschlag vom 25. November 2021 initiiert wurde, hat die EU am 20. Dezember 2023 die finale ESAP-Verordnung (Verordnung (EU) 2023/2859 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2023 – ESAP-VO) im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht. Parallel dazu wurden über die Richtlinie (EU) 2023/2864 und die Verordnung (EU) 2023/2869 andere Richtlinien bzw. Verordnungen hinsichtlich der Einrichtung und Funktionsweise des ESAP geändert und die zeitlichen Eckdaten für die Einführung konkretisiert.
„Einzigartiger Zugangspunkt für Finanz- und Nachhaltigkeitsinformationen und Produktdaten“
Mit der Plattform werden verschiedene, ambitionierte Ziele verfolgt. „ESAP wird zu einer nachhaltigeren, digitaleren und inklusiveren Wirtschaft, zur Stärkung der digitalen Souveränität und zu einer besseren Integration der Kapitalmärkte beitragen“, fasst der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschusses (EWSA) in seiner Stellungnahme zusammen.
ESAP soll, so die EU-Kommission im Rahmen der Gesetzgebung zur Kapitalmarktunion, „eine gemeinsame Quelle öffentlicher, kostenloser Informationen über EU-Unternehmen und Anlageprodukte sein, unabhängig davon, wo in der EU sie ansässig sind oder ihren Ursprung haben.“ Die EU-Kommission will mit der Plattform „Investitionsmöglichkeiten sowohl für EU- als auch für internationale Investoren sichtbarer machen und damit Finanzierungen für EU-Unternehmen erleichtern“. Insbesondere „kleine Unternehmen in kleinen Kapitalmärkten“ wären so „leichter auf dem Radarschirm von EU- aber auch internationalen Investoren“. Die Anleger könnten sich einfacher und effizienter informieren.
„Im Laufe der Zeit soll der ESAP zu einem einzigartigen Zugangspunkt für Finanz- und Nachhaltigkeitsinformationen und Produktdaten von Unternehmen werden, wodurch die Datenfragmentierung entlang nationaler Grenzen angegangen und eine bessere digitale Nutzung und Wiederverwendung von Informationen ermöglicht wird“, so das ambitionierte Ziel der EU-Kommission. Damit dient der ESAP auch dem Aufbau eines EU-Binnenmarktes für Kapital, um den Austausch von Investitionen und Ersparnissen zwischen allen EU-Mitgliedstaaten zu unterstützen.
Die Umsetzung von ESAP
Der ESAP-Verordnung zufolge wird die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) bis zum 10. Juli 2027 das Webportal ESAP einrichten und danach betreiben sowie überwachen. Der vorgegebene Einrichtungstermin verschiebt sich damit gegenüber dem ursprünglichen Legislativvorschlag, der hierfür das Jahresende 2024 vorsah, um gut zweieinhalb Jahre. Zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben wird die ESMA eng mit der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA) und der Europäischen Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (EIOPA) zusammenarbeiten.EU-weit müssen künftig mehr als 150.000 Unternehmen ihre Finanzdaten über den ESAP offenlegen. Über die Pflichten hinaus können aber grundsätzlich alle Unternehmen freiwillig Daten zur Verfügung stellen. Für die Umsetzung des ESAP werden zahlreiche weitere Verordnungen und Richtlinien hinsichtlich meldepflichtiger Informationen geändert – beispielsweise die Offenlegungsverordnung und die Erklärung zur Nachhaltigkeit nach Artikel 8 der Taxonomie-Verordnung.
Der Informationsaufbau der Plattform geschieht etappenweise über mehrere Jahre, da die Meldepflicht je nach betroffenem Rechts- bzw. Informationsgebiet zu unterschiedlichen Stichtagen einsetzt, letztmalig zum 10. Januar 2030. Nachhaltigkeitsbezogene Informationen im Sinne der Transparenz- und Taxonomie-Verordnung müssen aber bereits ab dem 10. Januar 2028 übermittelt werden, was die besondere Bedeutung für den ESAP unterstreicht. Gleiches gilt für die nichtfinanziellen Informationen im Lagebericht nach Maßgabe der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD).
Quelle: 2021 Capital Markets Union Package, European Single Access Point, S. 2
Und so soll es funktionieren: Zeitgleich zu ihren Pflichtveröffentlichungen und freiwillig veröffentlichten Information melden die Unternehmen diese Daten an offizielle behördliche Sammelstellen (sogenannte „Collection Bodies“) aus dem europäischen oder nationalen Aufsichtsumfeld. Diese sammeln und speichern die Unternehmensinformationen und übermitteln sie über eine Anwendungsschnittstelle an den ESAP. Darüber hinaus müssen sie die Richtigkeit des Datenformats, die Vollständigkeit der Metadaten und das Vorliegen eines qualifizierten elektronischen Siegels bzw. einer digitalen Signatur überprüfen. Die Metadaten und das Siegel dienen dazu, dass die Daten den richtigen Unternehmen zugeordnet und später über Suchmaschinen gefunden werden können. Zudem leisten die Sammelstellen den Unternehmen, die die Informationen übermitteln, technische Unterstützung. Sie sorgen dafür, dass die Informationen der Plattform mindestens zehn Jahre lang zur Verfügung stehen. Personenbezogene Daten, auf die aus Datenschutzgründen weitgehend verzichtet werden soll, dürfen nicht länger als fünf Jahre gespeichert werden.
Was ESAP können soll
In Artikel 7 der ESAP-Verordnung sind die Funktionen des ESAP festgelegt. Die ESMA soll demgemäß folgende Anforderungen sicherstellen:
- a) ein benutzerfreundliches Webportal in allen Amtssprachen der Union
- b) eine Programmierschnittstelle („application programming interface“ bzw. API) für einen einfachen Zugang zu den Informationen
- c) eine Suchfunktion in allen Amtssprachen der Union
- d) einen Datenbetrachter [eine Anzeigefunktion für die Informationen]
- e) einen maschinellen Übersetzungsdienst für die abgerufenen Informationen;
- f) einen Download-Dienst, auch für das Herunterladen großer Datenmengen;
- g) einen Benachrichtigungsdienst, der die Nutzer über alle neuen Informationen unterrichtet.
- h) eine Abgrenzung der freiwillig übermittelten Informationen gegenüber den obligatorischen Informationen.
Nicht alle Funktionen müssen bereits zum Start des ESAP verfügbar sein, sondern e) und g) erst bis 10. Juli 2028 und h) bis 9. Januar 2030. Auch hier ist insoweit ein schrittweiser Aufbau vordefiniert.
Der Zugang zum ESAP muss diskriminierungsfrei, unmittelbar und kostenlos sein. Die ESMA darf jedoch für bestimmte Dienste (allenfalls) kostendeckende Gebühren erheben. Dies gilt insbesondere für das häufige oder großvolumige, mitunter gewerbliche Herunterladen von Informationen und den damit verbundenen Wartungs- und Unterstützungskosten. ESMA soll zugleich sicherstellen, dass die Unternehmensdaten zeitnah im ESAP verfügbar sind, indem die von den Sammelstellen übermittelten Informationen unverzüglich über die Plattform zugänglich gemacht werden. Die Plattform soll zu mindestens 97 Prozent der Zeit pro Monat verfügbar sein, wobei Wartungszeiten ausgenommen sind.
ESAP: Die Assekuranz als Profiteur und Datenlieferant
„Die Einführung einer umfassenden Datenplattform ESAP wäre ein Meilenstein auf dem Weg zu einer nachhaltigen europäischen Finanzindustrie und würde die Umsetzung von Kapitalmarktunion und Green Deal erheblich beschleunigen“, urteilte der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. (GDV) im Oktober 2021 in einer Verbandspublikation. Die dort geäußerten Forderungen zur konzeptionellen und technischen Ausgestaltung von ESAP finden sich im Wesentlichen in der ESAP-Verordnung wieder.
Der GDV hält die „barrierefreie Verfügbarkeit von möglichst vollständigen sowie aussagekräftigen finanziellen und nichtfinanziellen Daten“ für eine Grundvoraussetzung, damit die Finanzindustrie ihre Aufgabe bei der Finanzierung der Transition hin zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft übernehmen kann. „Richtig konzipiert und umgesetzt kann der ESAP ein Gamechanger für eine stärker integrierte und nachhaltigere sowie prosperierende europäische Wirtschaft sein“, so der GDV. In einem „politischen und wirtschaftlichen Kraftakt“ müsse „eine technisch und konzeptionell ausgereifte Datenplattform“ aufgebaut werden, die die praxisrelevanten Anforderungen der professionellen Nutzer vollumfänglich erfülle. Auch der Verband öffentlicher Versicherer begrüßte in einer Stellungnahme im März 2022 die Initiative der EU-Kommission, die Verfügbarkeit von Nachhaltigkeitsdaten zu stärken.
Unternehmen können die Informationen im ESAP für unternehmerische Entscheidungen nutzen, beispielsweise im Rahmen ihrer Kapitalanlage. Sie werden aber nicht nur Nutzer des ESAP, sondern, soweit berichtspflichtig, auch Lieferanten ihrer Daten. Speziell für Versicherungsunternehmen wird dazu die Solvency ll-Richtlinie um den Artikel 304b erweitert. Ab Anfang 2030 müssen sie danach, neben den allgemeinen angesprochenen finanziellen und nichtfinanziellen Informationen, die Informationen aus ihren Berichten über die Solvabilität und Finanzlage (Einzel- und Gruppenbericht) über die jeweilige Sammelstelle digital in den ESAP einbringen. Wie grundsätzlich für ESAP-Meldungen vorgesehen, sind dabei auch Metadaten und ein qualifiziertes elektronisches Siegel zur Verfügung zu stellen. Als Sammelstelle fungiert die EIOPA die auch die technischen Durchführungsstandards für den Datentransfer entwickelt.
Zum Nach- und Weiterlesen:
GDV: Regulierung und Aufsicht kompakt № 26 / Oktober 2021: European Single Access Point (ESAP)