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Sechster IPCC-Sachstandsbericht, Teil ll

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Der Weltklimarat (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC) mahnt im zweiten Teil des Sechsten Sachstandsberichts (Sixth Assessment Report, AR6) zur Eile. „Evidence of observed impacts, projected risks, levels and trends in vulnerability, and adaptation limits, demonstrate that worldwide climate resilient development action is more urgent than previously assessed in Fifth Assement Report“, schreibt die Arbeitsgruppe II im Teil „Climate Change 2022: Impacts, Adaptation and Vulnerability“. Der Beitrag der Arbeitsgruppe III wurde am 4. April 2022 veröffentlicht. Der Synthesebericht wird Ende März 2023 verabschiedet.

Handlungsbedarf drängender als bisher eingeschätzt

„Der wissenschaftliche Beweis ist eindeutig: Der Klimawandel ist eine Bedrohung für das menschliche Wohlergehen und die Gesundheit des Planeten. Jede weitere Verzögerung einer konzertierten globalen Aktion wird das kurze, schnelle Schließen des Fensters zur Sicherung einer lebenswerten Zukunft verpassen. Dieser Bericht bietet Lösungen für die Welt.“ Mit diesen Worten wurde der Beitrag der Arbeitsgruppe II zum Sechsten Sachstandsbericht des IPCC am 28. Februar 2022 der Öffentlichkeit vorgestellt.

„Wir sind auf Kurs innerhalb der nächsten zwei Jahrzehnte eine globale Erwärmung von 1,5 Grad Celsius zu erreichen. Und die Temperatur wird weiter steigen, wenn die Welt nicht viel mutiger handelt“, warnte der IPCC-Vorsitzende Hoesung Lee. Der Bericht sei eine „eindringliche Warnung vor den Folgen der Untätigkeit“.

Dem Bericht zufolge drohen in den kommenden zwei Jahrzehnten bei einer globalen Erwärmung von 1,5 Grad unvermeidlich vielfältige Klimagefahren wie Hitzewellen, Dürren und Überschwemmungen. Werde dieses Niveau auch nur vorübergehend überschritten, wirke sich dies zusätzlich schwerwiegend aus. Einige Auswirkungen dürften dann auch irreversibel sein. In einigen Regionen werde eine Anpassung an den Klimawandel bei einer globalen Erwärmung von 2 Grad gar unmöglich (z. B. kleine Inseln). Oberhalb von 2 Grad werde der Anbau für bestimmte Grundnahrungsmittel auf heute noch bestellten Flächen schwierig, ab 1,5 Grad mangelt es bereits an Frischwasser.

Die Auswirkungen und Risiken des Klimawandels würden immer komplexer und schwieriger zu handhaben – beispielsweise dadurch, dass mehrere Klimagefahren zugleich auftreten, klimatische und nicht klimatische Risiken interagieren und letztlich kaskadierende Auswirkungen verursachen.

Die Regionen und Länder sind mit ihren Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel unterschiedlich weit. Generell gibt es zunehmend Lücken zwischen den Maßnahmen und dem, was die wachsenden Risiken erforderten, so der Bericht. Die größten Lücken werden in den besonders armen Regionen ausgemacht. Dem Bericht zufolge leben 3,3 bis 3,6 Milliarden Menschen in „Hotspots von hoher Anfälligkeit für den Klimawandel“. In diesen Brennpunkten überschneiden sich Herausforderungen – etwa:

  • Eingeschränkter Zugang zu Wasser, sanitären Einrichtungen und Gesundheitsdiensten
  • Klimasensible Lebensgrundlagen
  • Hohe Armutsraten
  • Schwache politische Führung
  • Mangel an Finanzierung
  • Fehlende Rechenschaftspflicht und fehlendes Vertrauen in Regierung

Der Bericht erkenne stärker als frühere IPCC-Bewertungen die wechselseitige Abhängigkeit von Klima, Biodiversität und Menschen an und integriere Natur-, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften, so Lee. Gegenüber früheren Sachstandsberichten werden zudem das Ausmaß und die Auswirkungen des Klimawandels größer eingeschätzt. Konkret geht es um „schwere und weit verbreitete Störungen in der Natur und in der Gesellschaft, (… und die) Fähigkeit, nahrhafte Lebensmittel anzubauen oder genügend sauberes Trinkwasser bereitzustellen (…).“

Die Arbeitsgruppe ll hat ihren Fokus auf Lösungen gelegt. Da die globale Herausforderung nur lokal zu lösen ist, bietet sie viele regionale Informationen, um eine klimaresistente Entwicklung zu ermöglichen. Klimaschutzmaßnahmen müssten auf Chancengleichheit und Gerechtigkeit („alle in die Planung einbezogen werden, auf Gleichheit und Gerechtigkeit geachtet wird und auf indigenes und lokales Wissen zurückgegriffen wird“) achten. Gefordert werden eine angemessene Finanzierung, Technologietransfer, politisches Engagement und „Governance, die Gerechtigkeit priorisiert“. Damit ließen sich auch viele der Sustainable Development Goals (SDG) der Agenda 2030 erreichen.

Konkret wird beispielsweise vorgeschlagen, 30 bis 50 Prozent der Land-, Süßwasser- und Meereslebensräume als Ökosysteme wiederherzustellen bzw. zu erhalten. Neben der Fähigkeit der Natur, Kohlenstoff zu absorbieren und zu speichern, soll dies die Fortschritte hin zu einer nachhaltigen Entwicklung beschleunigen. Denn: „Gesunde Ökosysteme sind widerstandsfähiger gegen den Klimawandel und bieten lebenswichtige Dienste wie Nahrung und sauberes Wasser“, sagte Hans-Otto Pörtner, Co-Vorsitzender der IPCC-Arbeitsgruppe II.

Anschauliche Szenarien

Zu den Bestandteilen des Berichts gehört ein eigener Abschnitt zu den Auswirkungen des Klimawandels, den Risiken und Handlungsoptionen für Städte und Siedlungen am Meer, in tropischen Wäldern, in Bergen, an Biodiversitäts-Hotspots, in Trockengebieten und Wüsten sowie im Mittelmeerraum und den Polarregionen. Neu ist zudem der „Global to Regional Atlas“, der Daten sowie Erkenntnisse zu beobachteten und prognostizierten Auswirkungen und Risiken des Klimawandels sowohl global wie für einzelne Regionen zeigt. Beispielsweise kann der Verlust der Biodiversität regional für verschiedene Temperaturanstiege abgelesen werden.

Zehn regionale und bereichsübergreifende Informationsblätter fassen das Wichtigste aus den relevanten Kapiteln und den Erkenntnissen des „Global to Regional Atlas“ zusammen. Zu Europa heißt es dort beispielsweise, dass die in vielen Teilen bestehenden und geplanten Anpassungsmaßnahmen nicht ausreichten, um das Restrisiko einer Erwärmung über 1,5 Grad zu vermeiden. Die Prognose gilt als sehr sicher (in der Formulierung des IPCC: hohes Vertrauen). Die Folgen wären der Verlust von Lebensräumen und Ökosystemleistungen, hitzebedingte Todesfälle, Ernteausfälle, Wasserrationierung während Dürren im Süden Europas, aber auch Landverlust.

Quelle: SIXTH ASSESSMENT REPORT; Working Group II – Impacts, Adaptation and Vulnerability, https://report.ipcc.ch/ar6wg2/pdf/IPCC_AR6_WGII_FactSheet_Europe.pdf

Aufgaben und Ansatzpunkte für die Assekuranz

Der Bericht betont die Wichtigkeit der Finanzierung der Adaptionsmaßnahmen – und damit auch eine wichtige Funktion der Versicherungswirtschaft. „With adaptation finance needs estimated to be higher than those presented in AR5, enhanced mobilization of and access to financial resources are essential for implementation of adaptation and to reduce adaptation gaps (high confidence). […] Public and private finance instruments include inter alia grants, guarantee, equity, concessional debt, market debt, and internal budget allocation as well as savings in households and insurance,“ heißt dies in der „Summary for Policymakers“ im Gliederungspunkt C.5.4.

Darunter sind nicht nur Investitionen in Adaptionsmaßnahmen zu fassen, sondern auch die Versicherungen dieser sowie Versicherungsschutz gegen Klimawandelrisiken (Zunahme von Extremwetterereignissen wie globale Monsunniederschläge, aber auch schwere Dürren und ihre Folgen für Ökosysteme und Menschen).

Dass den Forschern zufolge selbst bei einer globalen Erwärmung von 1,5 Grad Celsius bereits in naher Zukunft (bis 2040) unvermeidbare Zunahmen diverser Klimarisiken entstehen, unterstreicht die Notwendigkeit für die Versicherer, sich mit den Schadenpotenzialen dieser Risiken zu beschäftigen: „Die Folgen und Risiken des Klimawandels werden immer komplexer und schwieriger zu bewältigen. Vielfältige Klimagefahren werden gleichzeitig auftreten, und vielfältige klimatische und nicht-klimatische Risiken werden wechselwirken, was zu zusammengesetzten Gesamtrisiken und Risikokaskaden über Sektoren und Regionen hinweg führt. Einige Maßnahmen in Reaktion auf den Klimawandel führen zu neuen Folgen und Risiken.“ (SPM.B.5)

Vor diesem Hintergrund sind auch die Forderung von EIOPA und BaFin zur Durchführung von Klimaszenarioanalysen zu sehen. So können Versicherer ein besseres Verständnis der komplexen Zusammenhänge in einzelnen Szenarien bzw. „Emissionspfaden“ erlangen. Dies ist vor allem relevant für die Analyse von Kausalketten zwischen den einzelnen Risiken und von unumkehrbaren „tipping points“.

Reaktion der Assekuranz

Nach der Veröffentlichung des IPCC-Berichts forderte der europäische Versicherungs- und Rückversicherungsverband Insurance Europe die politischen Entscheidungsträger auf allen Ebenen auf, Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel zu initiieren. So sollten etwa die Widerstandsfähigkeit gegen den Klimawandel bei kritischen Infrastrukturen erhöht und Bauvorschriften und Flächennutzungsplanungen angepasst und ordnungsgemäß umgesetzt werden.

Europäische Versicherer arbeiteten bereits mit Behörden auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene zusammen, wie Initiativen im Insurance Europe’s Sustainability Hub zeigten, so der Verband. Versicherungsschutz sei mitentscheidend, um die Widerstandsfähigkeit nach extremen Wetterereignissen zu stärken. Gesellschaften mit einer höheren Penetrationsrate erholten sich tendenziell schneller von Wetterextrem-Ereignissen als solche mit einer relativ niedrigen Rate.

Zum Nach- und Weiterlesen:

Climate Change 2022: Impacts, Adaptation and Vulnerability

The Summary for Policymakers of the Working Group II contribution to the Sixth Assessment Report (AR6)

Sixth Assessment Report

https://report.ipcc.ch/ar6wg2/pdf/IPCC_AR6_WGII_FactSheet_Europe.pdf

Bafin-Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken

EIOPA berät zu den Anwendungsleitlinien zu Risikoszenarien des Klimawandels im ORSA

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