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Sixth Assessment Report

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„Recent changes in the climate are widespread, rapid, and intensifying, and unprecedented in thousands of years“, stellt der Beitrag der Arbeitsgruppe l zum Sechsten Sachstandsberichts des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC)  fest. Der Beitrag der Arbeitsgruppe (AG) ll wurde am 28. Februar veröffentlicht. Der Beitrag der AG III ist für Anfang April 2022 und der Synthesebericht des Sixth Assessment Report (AR6) für September 2022 geplant.

Die Zeit drängt

Der Klimawandel schreitet schneller voran als prognostiziert und ist „unbestreitbar“ vom Menschen verursacht. „Ohne eine sofortige, rasche und umfassende Reduktion von Treibhausgasemissionen wird eine Begrenzung der Erwärmung auf 1,5 Grad nicht einzuhalten sein.“ Der globale durchschnittliche Anstieg der Temperatur um 1,5 Grad wird nach Meinung der Wissenschaftler schon 2030 erreicht werden. 2018 war dies erst für 2040 vorausgesagt worden. Dies sind die wichtigsten Erkenntnisse der Arbeitsgruppe I (WGI l) des IPCC, die ihren Teil „Climate Change 2021 The Physical Science Basis“ zum Sechsten Sachstandsbericht am 9. August 2021 veröffentlicht hat.
Auf 3.949 Seiten beschäftigt sich die WGI l unter anderem mit

  • den beobachteten und künftigen Veränderungen des Klimasystems
  • den irreversiblen Änderungen
  • den Reaktionen des Klimas auf eventuelle Maßnahmen
  • dem Energiehaushalt der Erde
  • dem Einfluss des Menschen auf das Klima
  • den biogeochemischen Kreisläufen
  • den kurzlebigen klimawirksamen Stoffen
  • den klimatischen Extremereignissen
  • und dem Wasserkreislauf (u. a. Anstieg des Meeresspiegels)

Neu ist im Bericht ein interaktiver Atlas. Dieser stellt auf Basis der im Bericht unterstellten Daten den Klimawandel und seine Folgen räumlich und zeitlich dar und kann beispielweise zur Risikobewertung oder Prävention genutzt werden. Unter anderem liefert das Tool für verschiedene Klimaziele qualitative Informationen über Veränderungen der klimatischen Einflussfaktoren (CIDs) für Hitze, Kälte, Regen, Dürre, Schnee, Wind, Küstenüberschwemmungen und mehr.

Die Forscher untersuchen für fünf Szenarien die Folgen der Emissionsentwicklung klimaschädlicher Treibhausgase ab 2015. Bei SSP3-7.0 und SSP5-8.5 verdoppeln sich in etwa die Emissionen gegenüber dem aktuellen Niveau bis 2100 bzw. 2050. Für SSP1-1.9 und SSP1-2.6 werden nach 2050 negative CO2-Emissionen unterstellt.

Die Emissionen in den Szenarien basieren auf unterschiedlichen sozioökonomischen Annahmen für das Ausmaß des Klimaschutzes. Annahmen über die Durchführbarkeit bzw. Wahrscheinlichkeit einzelner Szenarien werden eigenem Bekunden nach nicht bewertet, was in den Medien für Kritik sorgte.

Der Sechste Sachstandsbericht (AR – Assessment Reports) des Weltklimarats IPCC besteht aus den Beiträgen der drei Arbeitsgruppen und dem Synthesebericht. Durch die Pandemie hat sich der Zeitplan für die Veröffentlichung des fertigen Berichtszyklus – auf voraussichtlich September 2022 – verschoben.

Klimaziele und Verteilung

Einen Entwurf des erst für März 2022 geplanten Berichts der WGI lll hat eine Gruppe in Umlauf gebracht, die sich „Scientist Rebellion“ nennt. Danach wäre sogar das Zwei-Grad-Klimaziel nicht mehr zu realisieren, wenn der globale Co2-Ausstoß nicht spätestens ab 2025 sinkt. Ihrem Selbstverständnis nach sollten „die Wissenschaftler an vorderster Front Widerstand leisten“ – der gewaltfreie Widerstand zielt auch auf ein Ende des „derzeitigen kapitalistischen Wirtschaftsmodells“. Ein Argument: Die reichsten zehn Prozent der Weltbevölkerung verursachten zwischen 36 und 45 Prozent der klimaschädlichen Emissionen, die ärmsten 10 Prozent hingegen nur etwa drei bis fünf Prozent.
Der IPCC teilte mit, dass man sich während der laufenden Arbeiten nicht zum Inhalt von Berichtsentwürfen äußere, räumte aber ein, dass es sich um einen „ersten Entwurf der Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger“ zu handeln scheint, der „bereits überarbeitet“ wurde.

Einige Daten und Szenarien

Dem Bericht „Climate Change 2021 The Physical Science Basis“ zufolge ist das Ausmaß der jüngsten Veränderungen im gesamten Klimasystem und der gegenwärtige Zustand beispiellos:

  • Die CO2-Konzentration ist auf dem höchsten Stand der letzten zwei Millionen Jahre,
  • der Meeresspiegel steigt mit der höchsten Rate seit 3.000 Jahren,
  • das arktische Meereis hat das niedrigste Niveau seit 1.000 Jahren und
  • die Schmelze der Gletscher ist so stark wie nie in den letzten 2.000 Jahren.

Die Wissenschaftler beobachten bereits in allen Regionen der Welt mehr Wetter- und Klimaextreme. Viele Veränderungen seien aufgrund vergangener und künftiger Treibhausgasemissionen über Jahrhunderte bis Jahrtausende nicht mehr rückgängig zu machen – beispielsweise die Veränderungen des Ozeans, der Eisschilde und des globalen Meeresspiegels. Gefürchtet wird beispielsweise, dass das Nordpolarmeer bis 2050 eisfrei sein könnte, zumindest in einzelnen Jahren.

Die durch Menschen veranlassten Treibhausgasemissionen sind dem Bericht zufolge seit dem Zeitraum 1850 bis 1900 für eine Erwärmung von etwa 1,1 Grad verantwortlich. In den nächsten 20 Jahren werde die globale Temperatur im Durchschnitt voraussichtlich 1,5 Grad erreichen – oder sogar überschreiten. Dabei dürfte die Erwärmung über dem Land größer sein als der globale Durchschnitt. In der Arktis dürfte der Temperaturanstieg besonders stark ausfallen – bezogen auf die kältesten Tage etwa drei Mal so hoch. Ohne drastische Reduktionen der CO2- und anderer Treibhausgasemissionen (insbesondere von Methan) in den kommenden Jahrzehnten steige die globale Erwärmung im Laufe des 21. Jahrhunderts auf über zwei Grad.

Die Folgen der globalen Erwärmung sind dem Bericht zufolge mehr und intensivere Hitzewellen, eine Häufung von Bränden und mehr Dürre in manchen Regionen. Steige die globale Erwärmung auf zwei Grad, erreichten Hitzeextreme häufiger kritische Toleranzschwellen für Landwirtschaft und Gesundheit, so der Bericht.

Aber auch Starkregen-Ereignisse würden bei 1,5 Grad an Intensität und Häufigkeit zunehmen. So dürfte der extreme Regenfall sich bei jedem zusätzlichen Grad um sieben Prozent intensivieren, rechnen die Forscher. Die globale Erwärmung lässt auch die Temperaturen in den Weltmeeren steigen, führt dort zu Versauerungen und mindert den Sauerstoff. Damit verringert sich die Fähigkeit der Meere als natürliche Kohlenstoffsenken. Der Bericht führt aus, dass der Klimawandel nicht nur den Wasserkreislauf intensiviert, sondern auch die Niederschlagsmuster beeinflusst: In hohen Breiten dürften die Niederschläge zunehmen, während sie in weiten Teilen der Subtropen voraussichtlich abnehmen werden. Jahrhundertfluten in den Küstengebieten könnten bis zum Ende dieses Jahrhunderts jedes Jahr auftreten.

Bedeutung für die Assekuranz

Der Bericht dürfte für viele Erst- und Rückversicherer Anlass sein, die eigenen und hinzugekauften Risikomodellierungen auf den Prüfstand zu stellen – und dann Produkte, Preise und das Underwriting neu auszurichten.

Bespiel Elementarversicherung: Da selbst in moderaten Klima-Szenarien die Elementgefahren häufiger und intensiver auftreten, wird die Bedeutung von Elementarversicherungen für Gebäude und Hausrat wachsen. Dass weniger als die Hälfte der privat gehaltenen Immobilien entsprechend versichert sind, dürfte bisher in nennenswertem Umfang weder an mangelnder Versicherbarkeit noch am Preis gelegen haben. Die Zunahme von Extrem-Unwettern wird aber nicht nur die Nachfrage, sondern auch die Preise wegen höherer Schäden steigen lassen. Dies dürfte die Argumentation um die Einführung einer Pflichtversicherung jetzt noch weiter unterstützen. Denkbar sind Modelle mit hohen Selbstbehalten, die die Versicherten zur Prävention motivieren, und die an die Grundsteuer geknüpft sind, um den Verwaltungsaufwand gering zu halten.

Beispiel Wetterversicherungen: In der Landwirtschaft dürfte die Notwendigkeit steigen, mehr als nur die Einkommensverluste aus dem Ereignis „Hagel“ abzusichern. Parametrische Versicherungen sichern nicht den Eintritt eines Schadens, sondern den Eintritt eines festdefinierten und mithilfe eines Index leicht festzustellenden Ereignisses ab. Durch die Digitalisierung lassen sich so automatisch bestimmte Wetterverhältnisse absichern. Das könnte auch für andere Branchen wie das Gast- oder Veranstaltungsgewerbe interessant werden. Da sich solche Policen gut standardisieren und bündeln lassen, könnte der Kapitalmarkt hier für zusätzliche Kapazitäten sorgen.

In jedem Fall tun Versicherungsunternehmen gut daran, sich mit den verschiedenen Klimaszenarien noch ernster auseinanderzusetzen. Dies betrifft vor allem die Sachversicherung, die Folgen des Klimawandels werden jedoch auch in den Personenversicherungssparten zu spüren sein. Die europäische Versicherungsaufsicht EIOPA machte sich 2020 für die Berechnung von Klimaänderungsszenarien im ORSA Bericht stark. Die Herausforderungen für Versicherer liegen vor allem in der Quantifizierung von Schadenpotenzialen und den Eintrittswahrscheinlichkeiten der entsprechenden Szenarien – letztere hängen auch in starkem Maße von den politischen Maßnahmen der kommenden Jahre ab. Trotzdem ermutigt die EIOPA europäische Versicherer dazu, mit Szenarioanalysemodellen zu beginnen und diese in den Folgejahren sukzessive weiterzuentwickeln und um neue wissenschaftliche Erkenntnisse und Daten zu erweitern.

Zum Weiterlesen:

 

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