Scroll to top
© 2021 Assekurata

EU green bond standard

« Back to Glossary Index

Der „European Green Bonds Standard“ (EUGBS) ist der weltweit erste Standard für „grüne Anleihen“. Emittenten, die sich freiwillig für die Anwendung entscheiden, verpflichten sich zu nachhaltigen Übergangsplänen. Der EUGBS soll dabei helfen, die im Pariser Abkommen sowie im europäischen Grünen Deal beschlossenen Klima- und Umweltziele zu finanzieren.

Wachstum durch Transparenz

Der Markt für „grüne“ Anleihen wächst stark, machte 2020 aber dennoch erst 3 bis 3,5 % aller von Unternehmen emittierten Anleihen aus. Zur Finanzierung der im Pariser Abkommen sowie im europäischen Grünen Deal beschlossenen Klima- und Umweltziele bzw. der dafür nötigen grünen Investitionsprojekte reicht das nicht.

Nach Angaben des europäischen Parlamentes hat die EU weltweit eine führende Rolle bei grünen Anleihen: 2020 lauteten 48 % der weltweiten Emissionen auf Euro. 51 % des weltweiten Volumens an Green Bonds wurden in der EU emittiert. Die Europäische Investitionsbank hatte 2007 die weltweit erste grüne Anleihe ausgegeben.

Der Standard war bereits im Aktionsplan 2018 der Kommission zur Finanzierung von nachhaltigem Wachstum geplant. Ende Februar 2023 haben die Verhandlungsführer des Rates und des Europäischen Parlaments im Rahmen des Mitentscheidungsverfahrens eine vorläufige Einigung über die Schaffung europäischer grüner Anleihen (EuGB) erzielt. Rat und Parlament müssen die Entscheidung noch bestätigen und annehmen. Danach gilt sie 12 Monate nach Ihrem Inkrafttreten – in allen Teilen und unmittelbar in jedem Mitgliedstaat verbindlich.

Laut Kommission gibt es national noch keine Gesetze zur Einführung eines offiziellen Standards für grüne Anleihen, aber schon nationale Kennzeichnungssysteme, die verschiedene Anforderungen an ökologisch nachhaltige Finanzprodukte festlegen. An den Finanzmärkten haben sich Rahmenregelungen für grüne Anleihen herausgebildet, doch könne es für Anleger kostspielig und schwierig sein, die positiven Umweltauswirkungen anleihebasierter Anlagen zu ermitteln und diese zu vergleichen, argumentiert die EU-Kommission in ihrem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über europäische grüne Anleihen. Auch bei den Emittenten führe das Fehlen einer einheitlichen Definition von „ökologisch nachhaltigen Wirtschaftstätigkeiten“ zu Unsicherheit. Sie liefen vor allem in Übergangssektoren Gefahr, aufgrund möglicher Greenwashing-Vorwürfe ihre Reputation zu riskieren. Diese Hemmnisse will die Kommission mit „klaren“ Kennzeichnungen für Anlageprodukte für Kleinanleger und die Entwicklung eines europäischen Standards für grüne Anleihen abbauen.

Als Ziele des Standards nennt die EU-Kommission

(1) die Fähigkeit von Anlegern zu verbessern, damit sie hochqualitative grüne Anleihen ermitteln und ihnen vertrauen können,

(2) die Emission dieser hochqualitativen grünen Anleihen zu erleichtern, indem Definitionen des Begriffs „grüne Wirtschaftstätigkeiten“ präzisiert und das mögliche Reputationsrisiko für Emittenten in Übergangssektoren gesenkt werden,

(3) das Verfahren der externen Bewertung zu standardisieren sowie das Vertrauen in externe Bewerter durch Einführung eines freiwilligen Registrierungs- und Beaufsichtigungssystems zu verbessern.

Darum geht es

Die EU-Kommission will eigenem Bekunden nach einen „Goldstandard“ für grüne Anleihen schaffen. An diesen sollen sich dann andere Standards ausrichten und so die notwendige Marktintegrität erzeugen, die zur Finanzierung legitimer Umweltprojekte notwendig ist. Die Verordnung regelt die Verwendung der Bezeichnung „europäische grüne Anleihe“ oder „EuGB“ (European Green Bond). Die 64 Artikel befassen sich vor allem mit vier Kernanforderungen:

  1. Taxonomie-gerechte Mittelverwendung: Die Erlöse aus den Emissionen europäischer grüner Anleihen werden „vor deren Fälligkeit ausschließlich und vollumfänglich ohne Abzug von Kosten“ für „ökologisch nachhaltige Wirtschaftstätigkeit“ gemäß der EU-Taxonomie-Verordnung verwendet. Das ergibt sich teilweise bereits aus Artikel 4 der Taxonomie-Verordnung. Was als grün gilt, legen also die Taxonomie-Verordnung und die entsprechenden delegierten Rechtsakte fest. Bis das Taxonomie-Rahmenwerk vollständig eingerichtet und in Betrieb ist, dürfen 15 % der Erlöse aus einer grünen Anleihe in wirtschaftliche Aktivitäten investiert werden, die noch nicht von der EU-Taxonomie erfasst sind. Über diese „flexibility pocket“ soll in den kommenden Jahren immer wieder neu entschieden werden.
  2. Transparenz: Detaillierte Berichtspflichten sollen für vollständige Transparenz sorgen. Die Anhänge des Vorschlags für eine Verordnung über europäische grüne Anleihen enthalten Muster für die Angaben zum Informationsblatt bei der Emission, zum jährlichen Erlösverwendungsbericht (auch Zuweisungsbericht genannt), für die „Überprüfung nach der Emission“ (die u. a. für bestimmte Banken jährlich Pflicht ist) und für ­– mindestens – einen Bericht über die Gesamtauswirkungen der Anleihe auf die Umwelt.
  3. Externe Überprüfung: EuGB werden von externen Prüfern auf die Einhaltung der Verordnung und die Taxonomiekonformität der geförderten Projekte kontrolliert. Überprüfungen vor und nach der Emission sollen sicherstellen, dass die mit der Anleihe eingenommenen Mittel den Anforderungen der Taxonomie-Verordnung entsprechen.
  4. Kontrolle durch die ESMA: Die externen Prüfer der Emittenten müssen sich bei der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) registrieren. Vorausgesetzt werden bestimmte Anforderungen an Qualifikation, Erfahrung, die Aufbewahrung von Aufzeichnungen, Transparenz und Umgang mit Interessenkonflikten. Sie werden laufend überwacht. Staatliche Emittenten können staatliche Prüfer oder andere öffentliche Einrichtungen anstelle registrierter externer Prüfer für die Kontrolle des Zuweisungsberichts einsetzen. Bei öffentlichen Ausgabenprogrammen und Steuererleichterungen, die von der projektbezogenen EU-Taxonomiekonformität befreit sind, reicht es, wenn die öffentliche Hand belegt, dass das Finanzierungsprogramm taxonomiekonform ist.

Die Anwendung des geplanten EU-Standards für grüne Anleihen ist freiwillig. So können sowohl Emittenten aus der EU als auch aus Drittstaaten den Standard nutzen. Grüne Anleihen können Staaten und Unternehmen (auch Finanzinstitute) begeben. Sie sind auch für Emittenten gedeckter Schuldverschreibungen von Verbriefungen anwendbar, deren Wertpapiere von einer Zweckgesellschaft ausgestellt werden.

Die Mittel der EuGB dürfen mit einer Laufzeit von bis zu zehn Jahren auch zum „Übergang zu einer stärkeren Ausrichtung ihrer Wirtschaftstätigkeit an der EU-Taxonomie“ eingesetzt werden. Die TVO nennt Kriterien für „Übergangstätigkeiten“. Ändern sich die technischen Bewertungskriterien der EU-Taxonomie nach der Emission von Anleihen, haben die Emittenten fünf Jahre Bestandsschutz auf bestehende Kriterien.

Mittel, aber fehlende Projekte

Mit 1,7 Billionen Euro (2020) Kapitalanlagen ist die Assekuranz eine der größten institutionellen Investorengruppen und verfügt über einen effektiven Hebel bei der Transformation – und immer mehr Versicherer verfolgen eine nachhaltige Kapitalanlage-Strategie. Dies zeigte sich beispielsweise bei einer Befragung zur Kapitalmarktsituation und -entwicklung, welche Assekurata im Zeitraum von Mitte April bis Mitte Mai 2021 durchgeführt hat.

Laut der Erklärung zur Positionierung der Branche bei der Nachhaltigkeit des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV) sollen die Kapitalanlagen bis 2050 klimaneutral sein. „Im Einklang mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen und der Verfügbarkeit von Messmethoden“ sollen aber bereits bis 2025 und schrittweise darüber hinaus CO2-Reduktionen in den Portfolios realisiert werden. Die Finanzinitiativen der Vereinten Nationen (UN) Principles for Responsible Investment (PRI oder auch UNPRI) und die Net-Zero Asset Owner Alliance (AOA) arbeiten an Messmethoden für Assetklassen, für die sich solche bislang noch nicht etabliert haben (z. B. Staatsanleihen). Der AOA gehörten zum Jahresende 2021 weltweit 60 Versicherungsgruppen an, darunter sieben deutsche Gesellschaften aller Größenordnungen.

Dem nachhaltigen Streben stehen allerdings aktuell beschränkte Anlagemöglichkeiten gegenüber. Wie wir schon an anderer Stelle im Assekurata-ESG-Monitor ausgeführt haben, fürchtet die Assekuranz bei den grünen Anleihen eine „Blasenbildung“. Eine „klare“ Kennzeichnung für Anlageprodukte für Kleinanleger und die Entwicklung des europäischen Standards für grüne Anleihen könnten Hemmnisse abbauen und die Entwicklungen im Markt für grüne Anleihen weiter fördern. Dies setzt natürlich voraus, dass die Genehmigungsbehörden wie Planungs- und Bauämter ausreichend zügig genügend grüne Investitionsprojekte möglich machen.

 

Zum Nach- und Weiterlesen:

Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über europäische grüne Anleihen

Anhänge des Vorschlags für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über europäische grüne Anleihen

Podcast: European Parliament Briefing: European green bonds

 

 

« Zum Glossar