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Solvency-ll-Review

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Nachhaltigkeitsaspekte werden Gegenstand des Eigenkapitalregimes Solvency ll. Zum einen sollen beim Review – also der Überprüfung – der Solvabilität-II-Vorschriften diese so ausgerichtet werden, dass die Ziele des europäischen Green Deals erreicht werden, zum anderen geht es um Risiken aus dem Klimawandel.

Die Umsetzung des Green Deals

Bei der Entwicklung der 2009 veröffentlichten und zum 1. Januar 2016 in Kraft getretenen Solvency-ll-Richtlinie war das „Review“ bereits eingeplant. Die EU-Kommission hat sich im Rahmen ihres europäischen Green Deals verpflichtet, das Management von Klima- und Umweltrisiken besser in den Aufsichtsrahmen der Union zu integrieren. Ein Aspekt der Proposal for a Directive of the European Parliament and of the Council amending Directive 2009/138/EC ist also auch die Umsetzung der politischen Prioritäten der EU. Der neue Rahmen soll die europäischen Versicherer in die Lage versetzen, einen größeren Beitrag zur Finanzierung der wirtschaftlichen Erholung nach COVID-19 zu leisten, die Kapitalmarktunion voranzubringen und Mittel für den europäischen Green Deal bereitzustellen. Die Kommission spricht von „EU-weit kurzfristig rund 90 Milliarden Euro Kapital“.

Einen deutlich breiteren Raum bei der Überprüfung nehmen Fragen ein, die sich unmittelbar mit und auf die Solvenz der Unternehmen beziehen. Daher formuliert die Kommission als wichtigsten Kompromiss die quantitative Gesamtauswirkung der Überprüfung: „Eine deutliche Erhöhung des Kapitalbedarfs würde den Beitrag der Versicherer zum grünen und nachhaltigen Aufschwung behindern. Gleichzeitig würde ein deutlicher Rückgang den Schutz der Versicherungsnehmer und die Finanzstabilität gefährden.“

Die Kommission will, dass die Versicherer Nachhaltigkeitsrisiken im Risikomanagement berücksichtigen. Dazu sollen sie langfristige Szenarioanalysen zum Klimawandel erstellen, die in die Berechnung des Kapitalbedarfs eingehen. Die Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (EIOPA) soll darüber hinaus zentralisierte Klimastresstests in der Assekuranz durchführen.

Der Vorschlag der EU-Kommission zur Änderung der Solvency-II-Richtlinie muss noch vom Europäischen Parlament und dem Rat erörtert werden. Parallel dazu arbeitet die Kommission an delegierten Rechtsakten zur Ergänzung der Änderungen der Solvency-II-Richtlinie. Die EIOPA hat für Juni 2022 einen Anwendungsleitfaden zu Klimawandelrisikoszenarien im ORSA angekündigt.

Die „grünen“ Änderungen bei Solvency ll

Die Kommission schlägt im Absatz 25 den neuen Artikel 45a über die Analyse von Klimaszenarien vor. Danach sollen Unternehmen im Risikomanagement prüfen, ob sie „wesentlichen“ Risiken des Klimawandels ausgesetzt sind. Dazu muss auch die Wesentlichkeit einer Exponierung bewertet werden. Der Gesetzesentwurf enthält keine Angaben darüber, ab welchen Schwellenwerten Risiken „wesentlich“ sind, welche Sparten besonders betroffen sein könnten oder ähnliches. Dieser Interpretationsspielraum könnte für Unsicherheit sorgen. Fest steht aber, dass Unternehmen mit niedrigem Risikoprofil von Szenarioanalysen ausgenommen sind. Die übrigen Gesellschaften müssen mindestens die Auswirkungen von zwei langfristigen Klimaszenarien auf ihre Geschäftstätigkeit analysieren. Vorgegeben sind dabei

(a) ein langfristiges Klimaänderungsszenario, bei dem der globale Temperaturanstieg unter zwei Grad Celsius bleibt;

(b) ein langfristiges Klimaänderungsszenario, bei dem der globale Temperaturanstieg gleich oder höher als zwei Grad Celsius ist.

Die Intervalle dieser Analyse müssen der Art, dem Umfang und der Komplexität der mit der Geschäftstätigkeit des Unternehmens verbundenen Klimaänderungsrisiken angemessen sein. Sie dürfen aber nicht länger als drei Jahre sein. Auch die langfristigen Klimaszenarien müssen mindestens alle drei Jahre überprüft und erforderlichenfalls aktualisiert werden.

Mit Absatz 91 wird die bestehende Solvency-ll-Richtlinie um den Artikel 304a ergänzt, der zwei Mandate für die EIOPA beinhaltet. Die europäischen Aufseher sollen bis 28. Juni 2023 einen Bericht vorlegen, ob Vermögenswerte oder Aktivitäten, die im Wesentlichen mit Umwelt- und/oder sozialen Zielen verbunden sind, einer speziellen aufsichtliche Behandlung bedürfen. Insbesondere geht es um Risikopositionen, die sich negativ auf den Schutz der Versicherungsnehmer und der finanziellen Stabilität in der Union auswirken könnten. Dazu soll die EIOPA auch den Europäischen Ausschuss für Systemrisiken (ESRB) und die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA) anhören.

Zwar gebe es aktuell noch keine ausreichenden Beweise für Risikounterschiede zwischen umwelt- oder sozialschädlichen und anderen Investitionen, doch könnten solche Beweise in den nächsten Jahren verfügbar sein, kommentiert die Kommission. Die Aufsicht könne auch fragen, ob und in welcher Weise bestimmte Umweltrisiken, die nicht mit dem Klimawandel zusammenhängen, berücksichtigt werden sollten. Beispielsweise könne sie, wenn dies naheliege, prüfen, ob die durch diese Richtlinie eingeführten Szenarioanalysen im Zusammenhang mit klimawandelbedingten Risiken auf andere Umweltrisiken ausgeweitet werden müssten.

Im zweiten Mandat geht es um die Überprüfung der Kalibrierung der Parameter der Standardformel in Bezug auf das Naturkatastrophenrisiko. Hierfür ist ein Turnus von höchstens drei Jahren vorgesehen. Bei erheblichen Diskrepanzen müssen die Aufseher der Kommission eine Stellungnahme zum Naturkatastrophenrisiko vorlegen.

Chancen und Risiken für Lebens- und Krankenversicherer

Der Klimawandel hat nicht nur Auswirkungen auf die versicherungstechnischen Leistungen der Sach-, sondern auch auf die der Personenversicherung. Belastbare Daten liegen für die Lebens- und Krankenversicherer zwar noch keine vor, doch Überlegungen, die sich schon „für grundlegende Szenarioanalysen im Risikomanagement für Extremereignisse“ eignen. Darüber berichtet die Deutsche Aktuarvereinigung in ihrer Publikation „Aktuar Aktuell“ (Ausgabe 56/2021). Dabei stützt sie sich auf Ausführungen der europäischen Versicherungsaufsicht EIOPA. Als Basis für Reservierungen und Preisberechnungen von Produkten reichten die Annahmen noch nicht.

Die DAV hat die möglichen Auswirkungen für Risikolebens-, die private Kranken- und die Pensionsversicherungen untersucht. Als Risiken des Klimawandels werden – gestützt auf Studien des Weltklimarats (IPCC) – vor allem die Folgen einer Zunahme der Durchschnittstemperatur mit häufigeren und noch deutlich schwerwiegenderen Hitzewellen gesehen. Hitzewellen haben schon in der Vergangenheit zu mehr Todesfällen geführt – beispielsweise die Hitzewelle 2003 in Europa mit knapp 70.000 zusätzlichen Todesfällen. Erwartet werden zudem höhere Erkrankungsraten beim Hautkrebs infolge steigender UV-Belastung sowie mehr Asthma und Allergien durch längere Blühzeiten. Zudem wird die Ausweitung von Infektionserkrankungen und Epidemien für möglich gehalten, weil sich mit steigenden Durchschnittstemperaturen die Lebensräume von Insekten, die Träger von Infektionskrankheiten sein können, nach Norden ausbreiten dürften.

Die Aktuare sehen aber auch Chancen infolge der Anstrengungen gegen den Klimawandel. So könne die Risikoentwicklung und die Gesundheit der Menschen beispielsweise durch den Ausstieg aus der Kohleverbrennung und eine vermehrte Elektromobilität positiv beeinflusst werden. Die daraus resultierende bessere Luftqualität reduziere Atemwegs- und Lungenerkrankungen. Verminderten die Versicherten ihren Fleischkonsum im Zuge eines persönlichen Klimaschutzbeitrages wirke dies günstig auf die individuelle Gesundheit. Krankheiten wie Darmkrebs, Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder auch Arthrosen und Rheuma stünden im Zusammenhang mit hohem Fleischkonsum.

Das Resümee der DAV: Der Klimawandel erhöht die Unsicherheit und die Volatilität. Je nach Zusammensetzung des Produkt-Portfolios und der Zielgruppen müssten die Gesellschaften „mit einer deutlich höheren Schwankung der Ergebnisse“ rechnen. Trendannahmen zur Sterblichkeitsverbesserung seien mit größeren Unsicherheiten verbunden.

Zum Nach- und Weiterlesen

„Aktuar Aktuell“ Mitteilungen der Deutschen Aktuarvereinigung, Ausgabe 56, Dez. 2021

Proposal for a DIRECTIVE OF THE EUROPEAN PARLIAMENT AND OF THE COUNCIL amending Directive 2009/138/EC as regards proportionality, quality of supervision, reporting, long-term guarantee measures, macro-prudential tools, sustainability risks, group and cross-border supervision

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