Der Schutz der Biodiversität (biologische Vielfalt) ist untrennbar mit den Themen nachhaltige Entwicklung und Klimaschutz verbunden. Völkerrechtlich ist das Übereinkommen über die biologische Vielfalt (Convention on Biological Diversity, CBD) 1993 eines der wichtigsten Meilensteine. Die 15. Vertragsstaatenkonferenz (COP15) soll einen neuen globalen Rahmen für die Erhaltung der biologischen Vielfalt nach 2020 verhandeln.
Im Einklang mit der Natur
Der Schutz der Artenvielfalt gehört zu den 17 Sustainable Development Goals (SDG) der Agenda 2030 der Vereinten Nationen. Allerdings ist das Übereinkommen über die biologische Vielfalt (Convention on Biological Diversity, CBD) kein Selbstläufer, auch wenn es 1992 von 168 Staaten (in Kraft seit 1993) unterzeichnet wurde. Ähnlich wie beim Klimaschutz handelt es sich um einen Prozess mit vielen internationalen Konferenzen und Abkommen. In den letzten beiden Jahrzehnten wurden jeweils „Zehn-Jahresziele“ formuliert. Die für die Dekade 2011 bis 2020 auf der CBD COP10 in Aichi (Japan) beschlossenen 20 Kernziele („Aichi-Ziele“) wurden laut Global Biodiversity Outlook 5 im Wesentlichen nicht erreicht. Die Zielverfehlung stellt der NABU – (Naturschutzbund Deutschland) e.V. übersichtlich dar.
Quelle: NABU – (Naturschutzbund Deutschland) e.V.; Ein verlorenes Jahrzehnt Globaler Bericht zum Zustand der Biodiversität
Die ursprünglich für 2020 in Kunming (China) geplante COP15 sollte ein „post-2020 global biodiversity framework“ („A New Deal for Nature and People“) schaffen. Das Ziel: Ein globaler Fahrplan für die Weltgemeinschaft, der auf dem strategischen Plan für 2011-2020 aufbaut und weitere Maßnahmen festlegt, um die Beziehung der Gesellschaft zur Biodiversität zu verändern. Bis 2050 soll die gemeinsame Vision des „Lebens im Einklang mit der Natur“ umgesetzt sein. („By 2050 biodiversity is valued, conserved, restored and wisely used, maintaining ecosystem services, sustaining a healthy planet and delivering benefits essential for all people.”)
Quelle: UN environment programme; FIRST DRAFT OF THE POST-2020 GLOBAL BIODIVERSITY FRAMEWORK; Seite 4
Wegen der Covid-19-Pandemie wurde die COP15 verschoben und auf zwei Termine (11. bis 15. Oktober 2021 als Videokonferenz und 25. April bis 8. Mai 2022 als Präsenzveranstaltung) verteilt. Der erste Teil endete mit der „Erklärung von Kunming“, in der sich die Länder sehr allgemein verpflichten, einen wirksamen globalen Biodiversitätsrahmen für die Zeit nach 2020 auszuhandeln, der 2022 vereinbart werden soll. Die Verpflichtungen schlagen – ohne konkrete Maßnahmen und verbindliche Ziele – einen weiten Bogen um das Thema: von Armutsbekämpfungsstrategien, sektorübergreifenden Koordinierungsmechanismen zur Biodiversität über die Stärkung der Widerstandsfähigkeit der Meeres- und Küstenökosysteme gegenüber dem Klimawandel bis hin zur wirksamen Beteiligung indigener Völker und lokaler Gemeinschaften sowie der Weiterentwicklung von Kommunikations-, Bildungs- und öffentlichen Sensibilisierungsinstrumenten zum Thema Biodiversität.
Hervorzuheben sind die Verpflichtung zu Treibhausgasemissionen in Übereinstimmung mit den Zielen des Pariser Klimabkommens und den Änderungen im Finanzsystem. Anreizstrukturen und Subventionen sollen der Biodiversität nicht schaden. Finanzströme sollen zur Unterstützung des Erhalts und nachhaltigen Nutzens der Biodiversität ausgerichtet werden.
Die chinesische Regierung kündigte an, mit dem „Kunming Biodiversity Fund“ 1,5 Milliarden Yuan (ca. 233 Millionen US-Dollar) für den Artenschutz in ärmeren Ländern zur Verfügung zu stellen. Die Europäische Union will die Mittel zur Finanzierung von Naturschutz in den Entwicklungsländern auf rund sechs Milliarden Euro verdoppeln. Japan stockt seinen Biodiversitätsfonds um rund 15 Millionen Euro auf. Weitere Ankündigungen über finanzielle Unterstützungsleistungen kamen Medienberichten zufolge von der Global Environment Facility (GEF) in Zusammenarbeit mit den UN-Entwicklungs- und Umweltprogrammen, einer Gruppe von Finanzinstituten mit einem Vermögen von 12 Billionen Euro sowie der Weltbank. Letztere will naturbasierte Methoden (NBS) – beispielsweise kohlenstoffhaltige Lebensräume wie Wälder und Moore – stärker unterstützen. Zugunsten des Schutzes der Biodiversität und des Klimas wurden die Finanzierungsrichtlinien und die Investmentpolitik angepasst.
Der Forderung der deutschen Umweltministerin Svenja Schulze (SPD), 30 Prozent der Landfläche und der Meere bis 2030 unter Naturschutz zu stellen, schlossen sich zwar „viele Länder“ an, die Nachfolgevereinbarung der Aichi-Ziele soll aber erst im April/Mai 2022 beschlossen werden.
Der Nutzen von Biodiversität
Unter dem Begriff „Biodiversität“ verstehen Naturschützer (und analog dazu auch COP15 Biodiversität) nicht allein die Vielfalt an Arten, sondern auch die genetische Variabilität innerhalb einer Art und die Vielfalt der Ökosysteme.
Für den „Global Biodiversity Outlook 5“ ist die Biodiversität sowohl für das Erreichen der Agenda 2030 als auch für das Pariser Klimaabkommen „entscheidend“. Ein Drittel der Netto-Reduktion von Treibhausgas, die zur Erreichung des Pariser Abkommens notwendig wäre, könnte dem Globalen Bericht zufolge aus „naturbasierten Lösungen“ kommen.
Der Bericht erinnert zudem daran, dass die Aichi-Biodiversität nicht nur in den Sustainable Development Goals (SDGs) 14 (Leben unter Wasser) und 15 (Leben an Land) enthalten ist, sondern im Zusammenhang mit fast allen SDG stehen. So sei die Biodiversität ein Schlüsselfaktor für die „weltweite Ernährungssicherheit“ (SDG2) und die „Bereitstellung von sauberem Wasser“ (SDG 6). Argumentiert wird, dass die Ernährungssysteme von Biodiversität und breiten Ökosystemleistungen abhängen, die die landwirtschaftliche Produktivität beispielsweise durch Bestäubung, Schädlingsbekämpfung und Bodenfruchtbarkeit fördern. Gesunde Ökosysteme unterstützten die Versorgung mit sauberem Wasser.
Klimawandel (SDG 13), Umweltverschmutzung (SDGs 6, 12 und 14) und Raubbau (SDGs 6, 12, 14 und 15) gehören zu den die wesentlichen Ursachen für den Verlust der biologischen Vielfalt. Ein Zusammenhang zur Biodiversität besteht auch mit dem SDG 12 (nachhaltige Produktion und Konsum). Die Ziele der Agenda 2030 unterstützen zudem die Rahmenbedingungen zur Bekämpfung des Verlusts der biologischen Vielfalt durch den Aufbau notwendiger Institutionen und Humankapital (SDGs 3, 4, 16), zur Verbesserung der Geschlechtergerechtigkeit (Ziel 5) und zum Abbau von Ungleichheiten (SDG 10).
Assekuranz und Biodiversität
Biodiversität wird über die EU-Taxonomie-Verordnung für die Assekuranz in der Kapitalanlage zum Thema. Die Regulierung dazu ist schon vorbereitet: Ab dem 1. Januar 2022 ist bei der Angabe „grüner“ Investitionen auf die Ziele „Klimaschutz“ und „Klimawandelanpassung“ abzustellen. Für die weiteren Ziele
- (c) die nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen
- d) der Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft
- e) Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung
- f) der Schutz und Wiederherstellung der Biodiversität und der Ökosysteme)
sollen bald analog zu den beiden Klimazielen Delegierte Rechtsakte mit den technischen Screeningkriterien vorliegen, so dass sie ab dem 1. Januar 2023 angewendet werden können.
Wie die Ausführungen des „Global Biodiversity Outlook 5“ zeigen, ist Biodiversität dabei ein so weites Feld, dass es sich sicherlich nicht allein auf das letzte der sechs Umweltziele der Taxonomie-Verordnung beschränken wird. Die Umlenkung von Finanzströmen sieht das COP15 – ähnlich dem Aktionsplan: Finanzierung nachhaltigen Wachstums – vor. Ob die Anlage in Biodiversität für die Investoren auch monetäre Renditen bringt, ist eine Frage der Ausgestaltung von Projekten. Der Finanzierungsbedarf ist auf jeden Fall groß: In einer Studie der internationalen Umweltorganisation TNC The Nature Conservancy, dem Paulson Institut und des Cornell Atkinson Center für Nachhaltigkeit (Financing Nature: Closing the Global Biodiversity Financing Gap) schätzen die Autoren, dass jährlich zusätzlich zu den bisherigen Finanzmitteln durchschnittlich 711 Milliarden US-Dollar zum Schutz der Biodiversität fehlen. Bislang ist vor allem Klima das dominierende Thema unter den ökologischen Nachhaltigkeitsaspekten in der Kapitalanlagepolitik der deutschen Versicherer. Während viele Versicherer bereits CO2-intensive Branchen wie die Kohleenergieerzeugung ausschließen und Dekarbonisierungspfade für ihr Portfolio vorgeben, wird Biodiversität eher nachrangig behandelt. Die zunehmende Diskussion um Biodiversität sowie die Erweiterung der EU-Taxonomie um die weiteren vier Umweltziele könnte den Fokus auf dieses Thema jedoch verstärken.
Übrigens: Neu ist der Schutz der Biodiversität für Versicherer nicht. Schließlich kennt die Branche spätestens seit 2017 den „Biodiversitätsschaden“ (§ 2 Nr. 1 a Gesetz über die Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden in Verbindung mit § 19 Bundesnaturschutzgesetz).
Danach ist ein Umweltschaden eine Schädigung von Arten und natürlichen Lebensräumen, sofern er erhebliche nachteilige Auswirkungen auf die Erreichung oder Beibehaltung des günstigen Erhaltungszustands dieser Lebensräume oder Arten hat. Derartige Schäden können in der Kfz-Umweltschadenversicherung, der Umwelthaftpflicht- und der Umweltschadensversicherung versichert werden.
Der von der Weltgemeinschaft formulierte Schutz der Biodiversität geht natürlich über das Versicherungsgeschäft hinaus, das den Ersatz von Schäden bei Unfällen, Pannen, Betriebsstörungen etc. vorsieht.
Zum Nach- und Weiterlesen:
Das Übereinkommen über die biologische Vielfalt
Übereinkommen über die Biologische Vielfalt Abgeschlossen in Rio de Janeiro am 5. Juni 1992
KUNMING DECLARATION “ECOLOGICAL CIVILIZATION: BUILDING A SHARED FUTURE FOR ALL LIFE ON EARTH”
FIRST DRAFT OF THE POST-2020 GLOBAL BIODIVERSITY FRAMEWORK
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