Seit dem 10. März 2021 gelten auch für Finanzberater/Versicherungsvermittler gemäß der EU-Transparenzverordnung (TVO) erweiterte Offenlegungspflichten zur Nachhaltigkeit. Sie müssen unter anderem im Rahmen ihres eigenen Internetauftritts über verschiedene Aspekte zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken informieren. Darüber hinaus müssen kapitalmarktorientierte Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern, und damit auch einzelne Finanzvertriebe, sowie Banken, Versicherungen und Fondsgesellschaften, die gewisse Größenkriterien erfüllen, jährlich einen Nachhaltigkeitsbericht veröffentlichen. Diese Pflicht zur Nachhaltigkeitsberichterstattung wird bis zum Jahr 2026 gemäß der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) stufenweise ausgeweitet, so dass zukünftig mehr Unternehmen unter die Berichtspflicht fallen.
Die Haltung des Gesetzgebers zum Thema Nachhaltigkeit ist also eindeutig. Auch unsere Gespräche mit Marktteilnehmern zeigen, dass sich die Branche unisono mit dem Thema beschäftigt. Gleichzeitig sind die betroffenen Unternehmen noch recht unsicher darüber, wie sie ihre Nachhaltigkeitskommunikation konkret und glaubhaft ausgestalten sollen, ohne in den Verdacht zu geraten, Greenwashing zu betreiben. Bereits 2019 hatten wir untersucht, inwiefern die Versicherungsgesellschaften für die Internetpräsenzen ihrer Ausschließlichkeitsorganisationen Informationen zum Thema Nachhaltigkeit zur Verfügung stellen. In einem nächsten Schritt haben wir im Februar 2023 die Internetseiten der Finanzvertriebe genauer unter die Lupe genommen, da diese ein wichtiges Sprachrohr der Branche zum Endkunden sind. Zum einen untersuchten wir hierbei, wie die Vertriebe bislang ihrer Offenlegungspflicht nachkommen. Und zum anderen, ob die Unternehmen darüberhinausgehend Nachhaltigkeitsthemen kommunizieren. Ebenfalls interessierte uns, ob in diesem Zusammenhang die unterschiedlichen Unternehmensgrößen einen Einfluss auf die Transparenz haben.
15 größte in Deutschland tätige Finanzvertriebe untersucht
Für die Untersuchung haben wir die 15 größten in Deutschland tätigen Finanzvertriebe gemessen an ihren Provisionserlösen ausgewählt. Basis war hier die aktuelle Cash-Hitliste Allfinanzvertriebe 2022. Grundsätzlich ist festzustellen, dass der Markt der Finanzvertriebe rein aus Größengesichtspunkten sehr heterogen ist. So war die Deutsche Vermögensberatung 2021 mit Provisionserlösen von 2.241 Mio. Euro der mit Abstand den größten Finanzvertrieb. Dahinter folgten fünf Vertriebe mit jeweils dreistelligen Millionenbeträgen: MLP (895 Mio. Euro), Swiss Life Deutschland Holding (674 Mio. Euro), OVB (321 Mio. Euro), Telis Finanz (172 Mio. Euro) und Dr. Klein (140 Mio. Euro). Die Provisionserlöse der Gesellschaften auf den Plätzen 7 bis 15 bewegen sich hingegen im zweistelligen Millionen-Bereich zwischen 69 Mio. bis 17 Mio. Euro. Hierzu zählen Global Finanz, Bonnfinanz, Finum Gruppe, Formaxx/Mayflower, Plansecur, A.S.I. Wirtschaftsberatung, Compexx Finanz, Königswege und FP Finanzpartner.
Ausgehend davon, dass Finanzvertriebe ihre Stakeholder über Nachhaltigkeit informieren müssen und möglicherweise über die gesetzlichen Pflichten hinaus Interessierten zu diesem Thema Auskunft geben wollen, haben wir uns bei unserer Recherche von folgenden Fragen leiten lassen:
- Findet sich auf der Startseite (im Menü, Hauptteil oder Footer) ein Link zur Nachhaltigkeit?
- Wo und wie schnell finden wir die Pflichtangeben gemäß TVO?
- Stellt der Finanzvertrieb über die Pflichtangaben hinaus weitere Informationen zum Thema Nachhaltigkeit zur Verfügung?
- Gibt es einen Nachhaltigkeitsbericht?
- Was finden wir über die Suchfunktion auf den Websites mit den Begriffen Nachhaltigkeit und ESG?
Unternehmen sehr heterogen in der Darstellung
Schon der erste Blick auf die Startseite der Unternehmen offenbart die unterschiedliche Herangehensweise oder anders ausgedrückt: Die große Spanne von gar nicht bis sehr transparent. Bei sieben Finanzvertrieben taucht dort der Begriff Nachhaltigkeit weder in Wort noch in Bild auf. Dagegen haben vier Gesellschaften Nachhaltigkeit als Link in das Hauptmenü der Webseite eingebunden. Die restlichen Unternehmen stellen den Link immerhin ans Ende der Seite (Footer), was zwar etwas Srcollarbeit von den Interessierten erfordert, aber den Punkt immerhin nicht untergehen lässt. Manche Unternehmen bieten auch mehrere Stellen an, um den Leser zum Punkt Nachhaltigkeit zu navigieren. Das heißt der Link ist dann im Hauptmenü und im Footer oder auch im Hauptteil der Startseite hinterlegt. Plansecur bietet als einziges Unternehmen gleich drei Optionen, um auf die „Nachhaltigkeits-Seite“ zu gelangen, nämlich über die Menüs oben und unten sowie über eine Bildkachel in der Mitte der Startseite.
In den meisten Fällen führen die Links dann zum Pflichtteil der Nachhaltigkeitsinformationen. Insgesamt haben alle Finanzvertriebe ihre Hausaufgaben gemacht und stellen alle Informationen, die gemäß Transparenzrichtlinie abzubilden sind, auf ihren Internetseiten dar. Die Platzierung reicht auch hier von „leicht auffindbar“ bis hin zu „erfordert einige Recherchezeit“. So fanden wir die Informationen bei sieben Finanzvertrieben (DVAG, Swiss Life, Telis, Formaxx, Plansecur, Compexx, FP Finanzpartner) deshalb recht schnell, weil sie die Informationen unmittelbar mit dem Link auf Startseite zur Nachhaltigkeit verknüpft haben. Sie nutzen also den eigenen Bereich „Nachhaltigkeit“, um sowohl über Pflichtangaben als auch gegebenenfalls über weitere Nachhaltigkeitsthemen zu informieren. In anderen Fällen waren die Informationen schwerer zu finden, wie beispielsweise bei Dr. Klein im Punkt 6 in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Ebenfalls nicht zwangsläufig eingängig ist die Platzierung im Impressum, es sei denn man folgt der wörtlichen Übersetzung aus dem Lateinischen („Hineingedrücktes“ bzw. „Aufgedrücktes“). Dennoch haben sich sieben Unternehmen (OVB, Global Finanz, Bonnfinanz, Finum, A.S.I. Wirtschaftsberatung, Königswege und FP Finanzpartner) für diesen Platz entschieden, wobei FP Finanzpartner den Interessierten über einen weiteren Link zu den Informationen führt. Damit ist die Anforderung der Richtlinie erfüllt, im Sinne der Transparenz wäre sicherlich mehr möglich. Auffällig ist auch, dass die meisten Finanzvertriebe die Pflichtangaben kurz und allgemeingültig halten. Sie verweisen zum Beispiel darauf, dass sie derzeit noch über keine eigenständige Nachhaltigkeitsstrategie verfügen, oder dass die von den europäischen Aufsichtsbehörden bereitzustellenden technischen Regulierungs-Standards (RTS) noch nicht zur Verfügung stehen. Die Swiss Life informiert hingegen beispielsweise äußerst umfangreich und teilweise sehr konkret.
Als weitere Nachhaltigkeitsthemen haben wir zunächst sämtliche Informationen ausgezählt, die sich unter die Aspekte „Umwelt“, „Soziales“ und „Governance“ fassen lassen, und die sich von der Startseite aus finden ließen. Bemerkenswert ist, dass immerhin elf Vertriebe (DVAG, MLP, Swiss Life, OVB, Telis, Global Finanz, Finum, Plansecur, A.S.I. Wirtschaftsberatung, Königswege, FP Finanzpartner) hier etwas anbieten. Dabei scheinen sich Finanzvertriebe im Wesentlichen sozial oder in Umweltprojekten zu engagieren, die sie auf ihren Internetseiten näher beschreiben. Teilweise haben die Unternehmen zu diesem Zweck auch eigene Stiftungen gegründet. Hierbei ist kein Zusammenhang zur Größe der Unternehmen erkennbar. Sowohl die DVAG als größter Finanzvertrieb, als auch FP Finanzpartner auf Platz 15 des Größen-Rankings stellen ihre Aktivitäten als „Gesellschaftliche Verantwortung“ oder „soziales Engagement“ vor.
Nur wenige Unternehmen mit weiterführenden Informationen zum Thema Nachhaltigkeit
Weiterführend sind uns allerdings nur zwei Finanzvertriebe aufgefallen, die durch ihre Informationsbreite und -tiefe zur Nachhaltigkeit hervorstechen. So kommuniziert die Swiss Life aus unserer Sicht umfangreich und strukturiert zum Thema Nachhaltigkeit, was auch damit zusammenhängen mag, dass der Vertrieb in einen Versicherungskonzern eingebunden ist, der sich bereits intensiv mit Nachhaltigkeitsberichtserstattung auseinandersetzen musste. Angefangen von einem Bekenntnis zum Pariser Klimaabkommen, über die konzernweiten Nachhaltigkeitsziele bis hin zu Mitgliedschaften und Auszeichnungen. Des Weiteren finden Interessenten auf der Internetseite (und nicht nur im Nachhaltigkeitsbericht) unter anderem konkrete Beispiele dazu, was die Swiss Life in den Bereichen Mitarbeitende, Umwelt, Gesellschaft und Geschäftstätigkeit unternimmt. Ergänzend hat das Unternehmen ein Interview mit dem Vorstand Jörg Arnold, CEO Swiss Life Deutschland, über die Bedeutung von Nachhaltigkeit in der Finanz- und Versicherungsbranche, persönliches Engagement und die Ziele für eine nachhaltigere Zukunft platziert und portraitiert im Rahmen der Kampagne „#HumansofResponsibility“ zudem nachhaltig engagierte Mitarbeiter.
Ähnlich wie die Swiss Life bietet auch MLP weiterreichende, relevante Informationen an. Auch hier ist eine Struktur, angefangen vom Bekenntnis zu den 17 nachhaltigen Entwicklungszielen (SDGs) der Vereinten Nationen, über Nachhaltigkeitsziele des Unternehmens bis hin zu konkreten Maßnahmen, zu erkennen. Allerdings erschwert die Navigation der Internetseite aus mehrstufigen Menüs Interessenten, den Überblick zu behalten. Positiv fiel auf, dass das Unternehmen seine Nachhaltigkeitsbeauftragte und damit eine Kontaktperson vorstellt sowie unter der Rubrik „Wissen“ ein Glossar mit Nachhaltigkeitsbegriffen zusammengestellt hat. Des Weiteren verfügt MLP über eine 19-seitige Nachhaltigkeits-Policy, die das Grundverständnis, den Handlungsrahmen sowie die Organisation von Nachhaltigkeit für die MLP-Gruppe zusammenfasst.
Swiss Life und MLP sind neben dem OVB die einzigen Finanzvertriebe, die zum aktuellen Zeitpunkt einen Nachhaltigkeitsbericht veröffentlichen. Ob neben dem Aspekt der Berichtspflicht dieser Unternehmen auch eine intrinsische Motivation vorliegt, lässt sich nicht feststellen. Auffällig fanden wir jedoch, dass sich die Berichte von Swiss Life und MLP an verschiedenen Reportingstandards und Rahmenwerken orientieren, während OVB dies aktuell noch nicht tut, allerdings für die nächste Berichtsperiode in Aussicht stellt.
Zwar zählen die berichtspflichtigen Finanzvertriebe zu den vier größten Häusern in Deutschland, jedoch konnten wir darüber hinaus keinen generellen Zusammenhang zwischen Unternehmensgröße und Transparenz feststellen. So bietet Plansecur als kleineres Unternehmen zum Beispiel eine Nachhaltigkeitsbroschüre sowie ein Informationsblatt „Basisinformationen Nachhaltigkeit“ an. Darüber hinaus scheint das Unternehmen schon länger im Bereich Nachhaltigkeit aktiv zu sein. So hat Plansecur nach eigenen Angaben bereits 2010 ein Fachgremium Nachhaltigkeit gegründet, dessen Aufgabe es unter anderem ist, Produkte nach ökologischen, sozialen und ethischen Kriterien auszuwählen und Berater:innen im Bereich nachhaltiges Investment fortzubilden.
Um abrundend zu klären, ob die Unternehmen weiterführend Nachhaltigkeitsinformationen anbieten, die nicht intuitiv über die Navigation von der Startseite zu finden sind, haben wir die Suchfunktionen der Websites getestet. Hier mussten wir zunächst feststellen, dass sieben Finanzvertriebe (DVAG, OVB, Telis Finanz, Global Finanz, Bonnfinanz, Königswege, FP Finanzpartner) gar nicht über eine solche Funktion verfügen beziehungsweise die Compexx die Suche auf seinen Blog einschränkt. Bei den restlichen sieben Unternehmen reicht die Anzahl der Suchtreffer mit dem Stichwort Nachhaltigkeit von einem (ASI) bis zu 724 (MLP) Ergebnissen. Beim Stichwort ESG ist die Ausbeute geringer, mit in der Spitze 32 Resultate (Dr. Klein). Neben den bereits bekannten Inhalten verwies die Suche bei MLP beispielsweise auf zahlreiche Beiträge „Mehr Frau mehr Nachhaltigkeit?“ und Ratgeber, wie die Checkliste „Wie man mit kleinen Dingen seinen Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit leisten kann?“. Häufig hatten die Treffer jedoch einen starken Produktbezug, wie zum Beispiel „Nachhaltigkeit in der Geldanlage“ bei der A.S.I. Wirtschaftsberatung.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass Finanzvertriebe trotz oder mit Blick auf das Greenwashing-Dilemma gerade wegen ihrer Präsenz im Markt und der Nähe zum Verbraucher noch wenig Orientierung in Sachen Nachhaltigkeit bieten. So fehlt auf vielen Internetseiten neben dem Pflichtteil noch die Kür. Dabei könnten die Finanzvertriebe sich schon heute, eindeutiger und proaktiver positionieren. Zum einen, um die Chance zu nutzen, sich im Wettbewerb hervorzutun. Zum anderen, um dem Druck des Gesetzgebers zuvorzukommen und hier bereits frühzeitig gut gerüstet zu sein. Und des Weiteren aus der Haltung heraus, einen positiven Beitrag zur Transformation zur leisten, ohne die das Geschäftsmodell ist Zukunft nicht mehr existieren würde.
Autor: Hannah Sütterle (Senior-Analystin Assekurata Solutions GmbH)