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Net-Zero Insurance Alliance (NZIA)

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In der Net-Zero Insurance Alliance (NZIA) haben sich unter der Initiative der Vereinten Nationen (UN) führende Erst- und Rückversicherer zusammengeschlossen, um mit geänderten Underwriting-, Schaden- und Risikomanagementpraktiken zum Übergang zu einer klimaneutralen Wirtschaft beizutragen. Im Einklang mit den Zielen des Pariser Klimaabkommens wollen sie ihre Versicherungs- und Rückversicherungsportfolios bis 2050 auf „Netto-Null-Treibhausgas(THG)-Emissionen“ umstellen.

Nachhaltigkeit im Versicherungsgeschäft

„Seit Generationen dient die Versicherungswirtschaft als Frühwarnsystem und Risikomanager der Gesellschaft, indem sie Risiken versteht, reduziert, bepreist und trägt. Während auf der COP26 in Glasgow diskutiert wird, eskalieren die Risiken der globalen Erwärmung und die Welt ist weit davon entfernt, die Versprechen zu erfüllen, die vor fast sechs Jahren beim Abschluss des Pariser Klimaabkommens gemacht wurden“, wird Inger Andersen, Exekutivdirektorin des United Nations Environment Programme (UNEP), anlässlich der Gründung der Net-Zero Insurance Alliance (NZIA) am Rande des G20-Gipfels im Juli 2021 in Venedig zitiert. Gemeinsam mit den Regierungen hätten die Versicherungsbranche und der Finanzsektor „die Macht und die Verantwortung, den Fortschritt in Richtung einer Netto-Null-Wirtschaft und einer nachhaltigen Zukunft für alle voranzutreiben“.

Ihrem Appell an den „Rest der globalen Versicherungsbranche“, auf den Klimanotstand zu reagieren und sich der „Pionierallianz“ anzuschließen, sind zwischenzeitlich einige weitere globale Assekuranzen gefolgt. Ziel der UN-Initiative ist die Begrenzung der globalen Erderwärmung auf 1,5 Grad gegenüber dem vorindustriellen Niveau.

Dieses „Netto-Null Netzwerk für das Underwriting“ setzt an der Passivseite an – und ergänzt damit die UN-Finanzinitiativen Principles for Responsible Investment (PRI oder auch UNPRI), Principles for Sustainable Insurance (PSI) und Net-Zero Asset Owner Alliance (AOA), die Klimaneutralität für die Aktivseite anstreben. Die acht Gründungsmitglieder gehören auch der AOA an. Sie sehen die Assekuranz in einer „Schlüsselrolle als Risikomanager, Versicherer und Investoren bei der Unterstützung des Übergangs zu einer Netto-Null-Wirtschaft“.

Die NZIA wird der Glasgow Financial Alliance for Net-Zero (GFANZ) beitreten. Die GFANZ ist das Dach für die wichtigsten Net-Zero-Initiativen der UN im Finanzsektor. Ihre Mitglieder müssen wissenschaftlich fundierte Leitlinien bei der Reduktion der THG-Emissionen anwenden, alle Emissionsbereiche abdecken, Zwischenziele für 2030 nennen und sich zu einer transparenten Berichterstattung und Rechnungslegung verpflichten. Alle GFANZ-Initiativen müssen von der UN-Kampagne Race to Zero akkreditiert sein.

Wozu sich die Unternehmen verpflichten

Die Mitglieder der NZIA verpflichten sich, ihre betrieblichen und zurechenbaren Treibhausgasemissionen aus Erst- und Rückversicherungsportfolios bis 2050 konsequent auf Netto-Null-Emissionen umzustellen. Bei der Wahl der Methoden für den „1,5°C-Netto-Null-Übergangspfad“ sind sie frei. Die Methoden müssen aber auf den neuesten verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnissen, einschließlich der des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) und der Internationalen Energieagentur (IEA), fußen. Den Mitgliedern werden für ihre Klimaberichterstattung Standards wie der Task Force on Climate-related Financial Disclosures (TCFD) und der Task Force on Nature-related Financial Disclosures (TNFD) empfohlen. Sie sollen die 17 UN-Nachhaltigkeitsziele (SDGs) und den Post-2020 Global Biodiversity Framework berücksichtigen, die UN Principles for Sustainable Insurance (PSI) anerkennen, ihre Anlageportfolios auf Netto-Null umstellen und dazu den obengenannten Finanzinitiativen der UN beitreten.

Die Unternehmen müssen konkret benennen, wie sie ihre Ziele erreichen wollen. Dazu gehört, dass sie im Hinblick auf THG-Emission Zeichnungskriterien und Richtlinien für ihre Erst- und Rückversicherungsportfolios definieren. Dabei müssen sie festlegen, wie sie mit Kunden und potenziellen Kunden – insbesondere mit denjenigen, die die meisten THG-intensiven und THG-emittierende Aktivitäten aufweisen – interagieren wollen. Dabei geht es darum, ob und welche Strategien die Kunden zur Dekarbonisierung und den Netto-Null-Übergang haben sollten.
Zu den Pflichten zählen zudem die Entwicklung und das Angebot von Versicherungs- und Rückversicherungsprodukten, -lösungen und -vereinbarungen für emissionsarme und emissionsfreie Technologien und naturbasierte Lösungen, die für den Übergang zu einer klimaneutralen Wirtschaft entscheidend sind. Des Weiteren geht es um die Verbesserung des Schadenmanagements auf ökologisch nachhaltige Weise und die Integration unabhängig festgelegter, unternehmensspezifischer Netto-Null- und dekarbonisierungsbezogener Kriterien in Risikomanagement-Rahmenwerke (z. B. ESG/Nachhaltigkeitsrisiko Management-Frameworks).

Die Unternehmen müssen jährlich über ihre Fortschritte berichten. Alle fünf Jahre sind individuell wissenschaftlich fundierte Zwischenziele festzulegen und zu veröffentlichen. Darüber sind die Mitglieder angehalten, im Hinblick auf die Dekarbonisierung mit Versicherungsverbänden, staatlichen und nicht-staatlichen sowie wissenschaftlichen Institutionen u. ä. zusammenzuarbeiten.

Nachhaltiges Versichern in der Praxis

Die NZIA-Verpflichtung geht im Hinblick auf das eigentliche Versicherungsgeschäft – also die Passivseite – nicht weiter als die Nachhaltigkeitspositionierung des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V.

Netto-Null bis 2050 ist bei beiden Organisationen die Zielmarke. NZIA-Mitglieder müssen sich dazu verpflichten. Gleichwohl bleibt es auch bei der NZIA den Unternehmen überlassen, wie und ob sie mit (Neu-)Kunden mit THG-intensiven und THG-emittierenden Aktivitäten zusammenarbeiten.

Industrie- und Rückversicherer haben damit begonnen, klimaschädliche Risiken wie Aktivitäten im Zusammenhang mit Kohle, Ölsand und Öl nicht mehr bedingungslos zu versichern. Impact-Underwriting stößt bei der versicherungsnehmenden Wirtschaft (z. B. dem GVNW) bzw. bei den sie vertretenden Maklerverbänden wie BDVM und Ferma auf Kritik. Industrien mit kohlenstoffintensiven Geschäftsmodellen fürchten um ihren Versicherungsschutz und werfen den Versicherern vor, dass ihre Dekarbonierungsbestrebungen ambitionierter seien als gesetzlich vorgegeben. Die Nachhaltigkeitsbemühungen klimakritischer Branchen würden nicht hinreichend berücksichtigt, wurde moniert. Es gibt auch Kritik an Zeichnungsrichtlinien, die strikt bestimmte Stoffe wie Erdgas oder Kupfer ausschließen. Diese stützt sich darauf, dass es Produktionsprozesse (z.B. Methanpyrolyse) oder Einsatzmöglichkeiten (z.B. Windrad) gibt, bei denen diese Stoffe klimafreundlich sind.

Dagegen wächst das Angebot bei den Versicherungstarifen für emissionsarme und emissionsfreie Technologien, naturbasierte Lösungen, die für den Übergang zu einer klimaneutralen Wirtschaft entscheidend sind, und auch zur Anpassung an den Klimawandel. Beispielsweise werden Versicherungsmöglichkeiten für alternative Energieerzeugung immer mehr zur Selbstverständlichkeit – die Photovoltaik-Anlage auf dem Dach des privaten Einfamilienhauses ist längst in vielen Wohngebäudepolicen integriert. Die Kraftfahrtversicherer schneidern spezielle Deckungen für Elektroautos, die die spezifischen Risiken wie Akku, Ladekabel, Wallbox berücksichtigen – und räumen Rabatte ein, die mancher Aktuar schadenmäßig für nicht gerechtfertigt hält. Eine kleine, aber wachsende Zahl von Versicherern übernimmt sogar Mehrkosten für eine klimafreundliche Lösung bei der Beseitigung des Schadens im Bereich von bis zu 20 Prozent. Hier gibt es auch Lösungen für gewerbliche Risiken, für die es insgesamt aber relativ wenig nachhaltigen Schutz gibt.

Zum Nach- und Weiterlesen:

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