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Darf es noch etwas Katar sein? Diese ESG-Kriterien berücksichtigen Versicherer bei der Investition in Staaten

Im Rahmen des jährlichen Marktausblickes haben wir die deutschen Versicherer diesmal detailliert nach ihren Kriterien zur nachhaltigen Kapitalanlage befragt. Das Thema nachhaltige Kapitalanlagen wurde zuletzt im Kontext der regulatorischen Anforderungen aus der EU-Taxonomie, der Transparenz-Verordnung und der IDD stark diskutiert. Die Ergebnisse stellen wir nun in einer mehrteiligen Blogreihe vor. Im zweiten Teil werden die Ausschlusskriterien bei Investitionen in Staatsanleihen sowie Maßnahmen der ESG-Integration thematisiert.

Ausschlusskriterien dienen bei der nachhaltigen Kapitalanlagepolitik von Versicherungsunternehmen als erster Filter, um ungewollte Investitionen aus dem Portfolio fernzuhalten. So können Ausschlüsse aus risikoorientierten und/oder aus ethisch-normativen Motiven heraus getroffen werden. Im ersten Teil unserer Blogreihe zu den Ergebnissen unserer Kapitalanlegerbefragung mit dem Schwerpunkt Nachhaltigkeit haben wir herausgestellt, welche Ausschluss- und Screening-Kriterien Versicherer bei der Investition in Unternehmen berücksichtigen. Auch für Investitionen in Staaten beziehungsweise öffentliche Papiere von Ländern oder Kommunen haben sich mittlerweile Kriterien herauskristallisiert.

Insgesamt lässt sich zum einen festhalten, dass Ausschlusskriterien für Papiere der öffentlichen Hand noch nicht so etabliert sind wie im Bereich der Unternehmen. Zum anderen ergibt sich ein vergleichsweise heterogenes Bild, was die Auswahl der Kriterien angeht. Mit 60 % schließen Versicherungsunternehmen am häufigsten autoritäre Regime aus. Danach folgen Menschenrechtsverletzungen und Kinderarbeit.

Allerdings ist die Definition klarer Ausschlusskriterien die Staaten deutlich schwieriger als im Fall von Unternehmen. Während es beispielsweise leicht zu ermitteln ist, ob ein Unternehmen in Branchen wie der Waffenproduktion oder der Kohleenergieerzeugung tätig ist, gestaltet sich die Frage, wann ein Staat als korrupt einzuordnen ist, deutlich komplexer. ESG-Datenanbieter wie MSCI, ISS ESG oder Sustainalytics liefern Antworten in Form von ESG-Ratings oder ESG-Performance-Scores in den entsprechenden Themenbereichen. Zudem gibt es diverse Nichtregierungsorganisationen (NGO), die Einschätzungen auf Basis ihrer Recherchen öffentlich zur Verfügung stellen. Die Organisation Freedom House bewertet den Zugang der Menschen zu politischen und zivilen Rechten in 210 Ländern und Territorien. Dazu gehören beispielsweise das freie Wahlrecht sowie die freie Meinungsäußerung und die Gleichheit vor dem Gesetz. Die Länder werden auf einer Skala von 0 bis 100 Punkten bewertet und in die Kategorien „free“, „partly free“ und „not free“ eingeordnet. Eine ähnliche Bewertung für das Thema Korruption bietet die Organisation Transparency International mit ihrem Corruption Perception Index. Einige Kapitalanleger nutzen diese Scores und legen einen Schwellenwert fest, unterhalb dessen Staaten ausgeschlossen werden.

Neben den vorgestellten Ergebnissen für das Instrument der Ausschlüsse und Screenings haben wir die Kapitalanleger ebenfalls zur Verwendung von Maßnahmen der ESG-Integration befragt. Dabei geht es im Wesentlichen darum, ob sie bei der Investitionsentscheidung neben typischen Risiko- und Renditekennzahlen auch nichtfinanzielle Informationen wie ESG-Ratings oder ESG-Rohdaten berücksichtigen. Im Folgenden unterteilen wir die Ergebnisse wiederum nach Investitionen in Unternehmen und Staaten.

Von den 20 Unternehmen, die diese Frage beantwortet haben, gaben 40 % an, dass sie keinen Integrations-Ansatz für die Investition in Unternehmen besitzen. Bei den restlichen Unternehmen spielt vor allem die Betrachtung von ESG-Ratings eine wesentliche Rolle. Diese werden von der Hälfte der teilnehmenden Versicherer betrachtet. An zweiter Stelle steht der CO2-Fußabdruck der Unternehmen, was auf einen starken Fokus auf den Aspekt Klima hindeutet. Dazu muss jedoch erwähnt werden, dass es für anderen Umweltthemen (z.B. Biodiversität) und soziale Aspekte häufig an allgemein akzeptierten und breit verfügbaren Messgrößen mangelt. Mehr und mehr gehen Versicherer zudem dazu über, auf Basis verschiedener Datenpunkte eine eigene ESG-Bewertung vorzunehmen.

Im Bereich der Investitionen in Staaten sind ESG-Integrations-Ansätze noch weniger verbreitet. So meldeten 12 von 18 Unternehmen, die diese Frage beantwortet haben, dass sie keinen Integrations-Ansatz verwenden. Als wichtigste Datenquelle manifestieren sich auch bei den Staaten ESG-Ratings, die immerhin von einem Drittel der Versicherer verwendet werden. Betrachtungen von CO2-Daten, ESG-Performance-Scores und eigene ESG-Bewertungen spielen lediglich eine untergeordnete Rolle.

Nachdem nun ausführlich über die Kriterien für Investitionen in Unternehmen und Staatsanleihen berichtet wurde, geht es im nächsten Teil unserer Reihe über die Verwendung von ESG-Kriterien in weiteren Assetklassen wie Private Equity und Immobilien.

Autor: Oliver Bentz (Senior-Analyst Assekurata Assekuranz Rating-Agentur GmbH)