Die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (Richtlinie (EU)2024/1760) wurde am 5. Juli 2024 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht und ist am 25. Juli 2024 in Kraft getreten. Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, die Richtlinie bis zum 26. Juli 2026 in nationales Recht umzusetzen. Die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) zielt darauf ab, nachhaltiges und verantwortungsvolles Verhalten in Unternehmen zu fördern und sicherzustellen, dass Menschenrechts- und Umweltüberlegungen in ihre Geschäftstätigkeiten und Corporate Governance integriert werden. Die Europäische Kommission betrachtet das Verhalten von Unternehmen als entscheidend für den Erfolg des EU-Green Deals und die Verwirklichung der Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen. Es ist wichtig zu beachten, dass die europäische Richtlinie zur Regulierung von Lieferketten strenger und umfassender ist als das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG).
Gleiche Sorgfaltspflichten für (fast) alle
Diese Richtlinie legt fest, dass Unternehmen eine besondere Sorgfaltspflicht haben. Sie müssen mögliche und tatsächliche negative Auswirkungen auf Menschenrechte und Umwelt in ihrem eigenen Geschäft, bei ihren Tochterunternehmen und bei Geschäftspartnern, soweit diese Teil der Wertschöpfungskette sind, erkennen und beheben. Darüber hinaus verpflichtet die Richtlinie große Unternehmen, einen Übergangsplan zur Eindämmung des Klimawandels zu verabschieden und bestmöglich umzusetzen. Dieser Plan soll das Ziel der Klimaneutralität bis 2050 des Pariser Abkommens und die Zwischenziele des europäischen Klimarechts unterstützen.
Die Richtlinie zielt darauf ab, das Potenzial des Binnenmarktes zu nutzen, um den Übergang zu einer nachhaltigen Wirtschaft zu fördern. Aufgrund der transnationalen Dimension der Probleme und der Tatsache, dass viele Unternehmen weltweit tätig sind, reichen nationale Maßnahmen oft nicht aus und können den Binnenmarkt fragmentieren. Deshalb ist es wichtig, im Einklang mit dem Subsidiaritätsprinzip auf Unionsebene koordiniert vorzugehen.
In der Richtlinie werden insbesondere folgende Kernpunkte hervorgehoben:
- Die Richtlinie gilt für große Unternehmen mit mehr als 1000 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von über 450 Millionen Euro.
- In der Richtlinie gibt es eine Regelung zur abgestuften Anwendung, die besagt, dass die Verpflichtungen der Richtlinie stufenweise auf Unternehmen je nach deren Größe und Umsatz angewendet werden.
- Regulierte Finanzinstitute fallen grundsätzlich unter den Anwendungsbereich der Vorschrift. Allerdings sind die Beziehungen dieser Institute zu ihren nachgelagerten Geschäftspartnern, die ihre Dienstleistungen und Produkte in Anspruch nehmen, nicht eingeschlossen. Für Versicherer bedeutet dies, dass die Unternehmen und Objekte, denen sie Versicherungsschutz gewähren, nicht unter die Richtlinie fallen.
- Unternehmen sind verpflichtet, einen Klimaplan zu entwickeln. Dieser Plan muss eine Strategie enthalten, wie das Unternehmen zur Erreichung des 1,5°C-Ziels beiträgt. Die Richtlinie verweist auf das Europäische Klimagesetz, das schrittweise Ziele zur Erreichung der Klimaneutralität bis 2050 festlegt.
- Die Richtlinie führt zivilrechtliche Haftungsbestimmungen ein, die Unternehmen für Schäden haftbar machen können, die aus der Nichterfüllung ihrer Sorgfaltspflichten resultieren. Allerdings soll das Unternehmen nicht haftbar gemacht werden, wenn der Schaden ausschließlich durch Geschäftspartner innerhalb der Aktivitätenkette des Unternehmens verursacht wurde.
- Unternehmen, die gegen die Sorgfaltspflichten verstoßen, müssen mit Geldbußen von bis zu 5 % ihres weltweiten Nettoumsatzes rechnen. Die Mitgliedstaaten benennen Aufsichtsbehörden, die Unternehmen überwachen, untersuchen und sanktionieren.
Geplante Praxis
Anpassungen in der Umsetzung in der endgültigen Fassung der Leitlinie:
- 2027: Unternehmen mit mehr als 5.000 Mitarbeitern und mehr als 1,5 Milliarden Euro Umsatz
- 2028: Unternehmen mit mehr als 3.000 Mitarbeitern mehr als 900 Millionen Euro Umsatz
- 2029: Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern und mehr als 450 Millionen Euro Umsatz
- 2029: Nicht-EU-Unternehmen und Muttergesellschaften mit einem Nettoumsatz in der EU von mehr als EUR 450 Mio. im letzten Geschäftsjahr unabhängig von der Beschäftigtenzah)
Die Pflichten
Die Sorgfaltspflichten der Unternehmen beziehen sich „auf tatsächliche und potenzielle negative Auswirkungen (…) im Zusammenhang mit ihrer eigenen Geschäftstätigkeit, der Geschäftstätigkeit ihrer Tochterunternehmen und der Geschäftstätigkeit, die von ihren Geschäftspartnern in den Aktivitätsketten dieser Unternehmen ausgeführt wird“ (Artikel 1). Die menschenrechtlichen und umweltbezogenen Sorgfaltspflichten beziehen sich vor allem auf die vorgelagerte Lieferkette des Unternehmens und seiner Tochterunternehmen. Gegenüber dem Kommissionsentwurf wurde der Anwendungsbereich hinsichtlich der nachgelagerten Geschäftspartner weiter eingeschränkt. Er bezieht sich ausschließlich auf Tätigkeiten im Zusammenhang mit Vertrieb, Beförderung und Lagerung von Produkten und gilt nur für direkte Geschäftspartner.
Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe g) „Aktivitätskette“:
- Tätigkeiten der vorgelagerten Geschäftspartner eines Unternehmens im Zusammenhang mit der Produktion von Waren oder der Erbringung von Dienstleistungen durch dieses Unternehmen, einschließlich der Entwicklung, Gewinnung, Beschaffung, Herstellung, Beförderung, Lagerung und Lieferung von Rohstoffen, Produkten oder Teilen von Produkten und der Entwicklung des Produkts oder der Dienstleistung, und
- die Tätigkeiten der nachgelagerten Geschäftspartner eines Unternehmens im Zusammenhang mit dem Vertrieb, der Beförderung und der Lagerung eines Produkts dieses Unternehmens, sofern die Geschäftspartner diese Tätigkeiten für das Unternehmen oder im Namen des Unternehmens ausüben; davon ausgenommen ist der Vertrieb, die Beförderung, die Lagerung des Produkts, das Ausfuhrkontrollen gemäß der Verordnung (EU) 2021/821 oder Ausfuhrkontrollen in Bezug auf Waffen, Munition oder Kriegsmaterial unterliegt, sobald die Ausfuhr des Produkts genehmigt wurde;
Obwohl beaufsichtigte Finanzunternehmen ihre Sorgfaltspflichten nur auf den vorgelagerten Teil ihrer Aktivitätsketten anwenden müssen, bieten die Besonderheiten von Finanzdienstleistungen zusammen mit den OECD-Leitsätzen für multinationale Unternehmen (MNE-Leitsätze) Hinweise auf geeignete und effektive Maßnahmen, die Finanzunternehmen zur Erfüllung ihrer Sorgfaltspflichten ergreifen können.
Um welche Menschen- und Grundrechte es sich handelt, ergibt sich aus dem Anhang zum Gesetz. In diesem fünfseitigen Annex werden die Rechte und Verbote in internationalen Menschenrechtsinstrumenten genannt sowie die Verbote und Verpflichtungen in Instrumenten, die sich auf die Umwelt beziehen. Ziele und Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels sind im Annex nicht aufgeführt, werden jedoch explizit in Artikel 22 der Richtlinie aufgegriffen. Danach haben die Mitgliedstaaten dafür zu sorgen, dass große Unternehmen (mehr als 1.000 Mitarbeiter und mehr als 150 Millionen Euro Jahresnettoumsatz) darlegen, wie ihr Geschäftsmodell und ihre Strategie mit dem Übergang zu einer nachhaltigen Wirtschaft und der Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5°C gemäß dem Pariser Klimaabkommen vereinbar sind. Aus dem delegierten Rechtsakt zum ESRS E1 im Kontext der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) ergibt sich die Verpflichtung zur Offenlegung eines solchen Klimaplans, sofern ein solcher vorliegt und der Klimawandel ein wesentliches Thema für das berichtende Unternehmen darstellt. Für die Erfüllung der Anforderungen der CSDDD reicht es demnach, wenn im Rahmen der CSRD dazu berichtet wird.
Unternehmen, die unter den Anwendungsbereich fallen, müssen einen Sorgfaltspflichtenprozess etablieren, mit dem sie Verstöße identifizieren, vermeiden oder zumindest minimieren und beenden können. Das Verfahren muss beschrieben und ein Verhaltenskodex eingeführt werden. Zudem ist dieser Due-Diligence-Prozess regelmäßig zu überwachen und in die Unternehmensstrategie zu integrieren. Die Unternehmen müssen über die Umsetzung der Vorgaben regelmäßig berichten. Diese Berichtspflicht gilt jedoch nicht für Unternehmen, die bereits nach der CSRD publizitätspflichtig sind.
Die Regeln werden durchgesetzt durch:
- Verwaltungsaufsicht: Die Mitgliedstaaten benennen eine Behörde zur Überwachung und Verhängung „wirksamer, verhältnismäßiger und abschreckender“ Sanktionen, die sich am Umsatz orientieren. Auf europäischer Ebene richtet die Kommission ein europäisches Netz von Aufsichtsbehörden für ein koordiniertes Vorgehen ein.
- Zivilrechtliche Haftung: Um den Opfern von negativen Auswirkungen einen wirksamen Zugang zur Justiz und Entschädigung zu gewährleisten, müssen die Mitgliedstaaten zivilrechtliche Haftungsvorschriften für Unternehmen einführen. Diese Haftung greift, wenn ein Unternehmen vorsätzlich oder fahrlässig versäumt, potenzielle negative Auswirkungen zu verhindern, zu mindern oder tatsächliche Schäden zu beheben, und dadurch eine natürliche oder juristische Person zu Schaden kommt. Der Schaden muss an den geschützten rechtlichen Interessen der betroffenen Person entstanden sein, wie etwa körperliche Verletzung oder Eigentumsschäden, nicht jedoch an abgeleiteten Interessen Dritter. Ein Unternehmen haftet nicht, wenn der Schaden ausschließlich durch Geschäftspartner in der Aktivitätskette verursacht wurde. Die Opfer haben das Recht auf vollständige Entschädigung gemäß nationalem Recht, jedoch sind Strafschadensersatz und jede Form der Überkompensation ausgeschlossen.
Exkurs: Das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz
Nach dem deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz müssen deutsche Unternehmen mit mehr als 3.000 Beschäftigten seit dem 1. Januar 2023 (ab Januar 2024: ab 1.000 Beschäftigte) ihre globalen Wertschöpfungsketten auf Verstöße gegen Menschenrechte nach der UN-Charta sowie gegen geltende Umweltgesetzgebung prüfen. Die Unternehmen müssen einen entsprechenden Prozess mit Risikoanalysen, Präventions- und Abhilfemaßnahmen, zum unternehmensinternen Beschwerdeverfahren sowie zur Dokumentations- und Berichtspflicht aufsetzen und haften für Schäden, die sich aufgrund mangelnder Sorgfalt hieraus ergeben. Die Sorgfaltspflichten gelten nur für den eigenen Geschäftsbereich und unmittelbare Zulieferer. Für mittelbare Zulieferer bestehen Pflichten „nur anlassbezogen bei Kenntnis über mögliche Rechtsverletzung“.
Auch Vorteile für Versicherer
Die Richtlinie betrifft Versicherungsunternehmen in erster Linie in Bezug auf ihre eigenen Geschäftspraktiken und ihre Zulieferer. Kundenbeziehungen und Investitionen sind vorerst nicht von den Sorgfaltspflichten erfasst. Allerdings plant die EU-Kommission, innerhalb von zwei Jahren nach Inkrafttreten der CSDDD einen Bericht vorzulegen, der die Möglichkeit einer Ausweitung der Sorgfaltspflichten auf Finanzdienstleister und deren Investmentaktivitäten untersucht. In Zukunft könnten daher auch Kundenbeziehungen und Investitionen stärker in den Geltungsbereich der Richtlinie fallen. Bereits jetzt betont die EU-Kommission in Erwägungsgrund 51 der Richtlinie, dass Finanzinstitute negative Auswirkungen berücksichtigen und positiven „Druck“ auf ihre Investmentobjekte ausüben sollten, beispielsweise durch die Nutzung von Aktionärsrechten.
Die Richtlinie bietet auch Versicherern potenzielle Vorteile – beispielsweise bei der Kalkulation und dem Underwriting von Betriebsunterbrechungsschäden in der versicherungsnehmenden Industrie. Die Lieferkettenregulierung wird voraussichtlich zu einem intensiveren Lieferkettenmanagement in der Industrie führen, das zum Standard wird. Dadurch gewinnen produzierende Unternehmen wertvolle Einblicke in die Verflechtungen und Abhängigkeiten ihrer Lieferanten und werden eher präventive Maßnahmen ergreifen. Dieses tiefere Verständnis der Lieferkette kann den Versicherern helfen, risikoadäquatere Prämien zu berechnen.
Zum Nach- und Weiterlesen:
Corporate sustainability due diligence – European Commission (europa.eu)
RICHTLINIE (EU) 2024/1760 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES
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