Im ersten Teil unserer Umfrage zur Markteinschätzung, die wir vor unserem aktuellen Überblick über die Krankenversicherung im Juni 2023 durchgeführt haben, haben 15 Krankenversicherungsunternehmen ihre Meinungen geteilt. Dabei haben die Versicherungsunternehmen eher optimistische Einschätzungen zum Gesamtmarkt und zu verschiedenen Produkten abgegeben. Im weiteren Verlauf der Umfrage haben wir die Versicherer zudem zu ihrer Einschätzung zu weiteren aktuellen und zukünftigen Themen befragt.
Inflation (noch) kein großes Thema in der PKV
Dabei bewerteten die Versicherer die Inflation aktuell nicht als allzu negativen Aspekt. Das liegt daran, dass sich die allgemeine Inflation in der PKV noch nicht so stark bemerkbar macht. Die Versicherer sind vielmehr mit der sogenannten medizinischen Inflation konfrontiert, mit der sie schon früher kalkuliert haben. Die Kostensteigerungen aufgrund der allgemeinen Inflation sind im Vergleich zu anderen Sparten, wie zum Beispiel der Schadenversicherung, deutlich geringer. Das zeigt sich auch in den Verbraucherpreisindizes des Statistischen Bundesamtes. Im Mai 2023 lag der Index bei 116,5, und seit Anfang 2022 ist er stark gestiegen. Im Bereich „Gesundheit“ lag der Index jedoch nur bei 104,8 und verzeichnete einen deutlich flacheren Verlauf. Im Januar 2022 lagen diese Werte noch bei 105,2 beziehungsweise 101,5. Die Ausgaben im Gesundheitssektor sind also im beobachteten Zeitraum nicht so stark gestiegen wie in den anderen Bereichen. Als personalintensive Branche ist die Lohn- und Gehaltsentwicklung jedoch ein wichtiger Preistreiber im Gesundheitswesen, der sich hier auch noch niederschlagen wird. In den kommenden Jahren könnte sich hier also ein zeitversetzter Anstieg zeigen. Für das aktuelle Jahr 2023 gaben immerhin 33 % der befragten Unternehmen an, dass die Aussage, dass ihre Leistungsausgaben aufgrund der hohen Inflation überdurchschnittlich ansteigen werden, „weniger zutrifft“. Nur 13 % stimmten zu, dass dies zutrifft. Die Mehrheit der Unternehmen stimmte der Aussage „weitgehend“ zu.
Tatsächlich könnten sich die gestiegenen Zinsen sogar stabilisierend auf die Beitragsentwicklung auswirken, sobald sich diese erst in den Kapitalanlagen und dann auch über den Rechnungszins in den Tarifen wiederfinden. Dass dies per se sogar zu niedrigeren Beiträgen führen wird, erscheint dagegen unwahrscheinlich, da die gesteigerten Leistungsausgaben dagegenwirken. Eine einheitliche Meinung hierüber herrscht aktuell jedoch (noch) nicht, wie die Antworten der Unternehmen zeigen.
Elektronische Patientenakte und künstliche Intelligenz rücken in den Fokus
Unabhängig hiervon arbeiten die Versicherer weiter verstärkt an der digitalen Transformation. Schon länger schreitet der Imagewechsel vom Kostenerstatter zum Gesundheitsdienstleister voran. Eine weitere wichtige Rolle könnte hierbei zukünftig die elektronische Patientenakte (ePA) spielen. Diese wurde in der gesetzlichen Krankenversicherung bereits Anfang 2021 eingeführt, fristet jedoch seitdem noch ein Schattendasein. Einen Punkt, den sich die privaten Krankenversicherer, die sich schon länger in der digitalen Vorreiterrolle sehen, zu Nutze machen könnten. Durch die gezielte Einbettung der elektronischen Patientenakte in die bereits größtenteils sehr guten digitalen Services kann zukünftig ein Mehrwert sowohl für Kunden als auch Unternehmen entstehen. Analog schätzten die Unternehmen auch die Nutzenfrage, die wir bereits im Vorjahr in diesem Zusammenhang gestellt haben, positiver ein. Ein Indiz, dass man sich nicht nur mit dem Thema beschäftigt, sondern die ePA zukünftig doch eine größere Rolle spielen könnte, als zunächst vielleicht angenommen.
Mit dem Thema künstliche Intelligenz (KI) kommt ein weiterer Punkt verstärkt auf die Agenda. Eine Mehrheit der befragten Unternehmen gab an, dass sie zukünftig KI in ihren Betrieben einsetzen möchten. Rund 60 % stimmten der Aussage zu, dass KI perspektivisch verstärkt in ihrem Unternehmen zum Einsatz kommen wird. Obwohl der Einsatz von KI als vielversprechend betrachtet wird, sehen die Unternehmen noch nicht unmittelbar Kosteneinsparungen durch deren Nutzung. Die Thematik ist insgesamt sehr komplex und erfordert erhebliche Investitionen in die Entwicklung und Umsetzung von KI-Technologien.
Die Inflation bereitet den PKV-Unternehmen bisher weniger Sorgen als anderen Sparten. Während die digitale Transformation weiter voranschreitet, wird in diesem Zusammenhang die Nutzung von KI an Bedeutung gewinnen. Inwiefern die Kunden hiervon partizipieren werden, wird sich in Zukunft zeigen. Kundenorientierte Einsatzmöglichkeiten sind nicht nur denkbar, sondern auch wünschenswert.
Autor: Alexander Kraus (Senior-Analyst Assekurata Assekuranz Rating-Agentur GmbH)