BU-Leistungsregulierung: Service-Level-Konzepte auf dem Prüfstand
Bei der Leistungsprüfung in der Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) steht kundenseitig eine schnelle und im besten Fall nahtlose Abwicklung im Vordergrund. Um das zu gewährleisten, sind gezielte Maßnahmen im Rahmen der Prozess-gestaltung unabdingbar. Hierzu gehören auch Standardrichtlinien in Form von Service-Level-Vorgaben. Die Herausforderung besteht darin, sachgerechte und notwendige Prozessschritte mit dem Anspruch einer schnellen und im Ergebnis fairen Leistungsprüfung zu harmonisieren.
Denn auch wenn der Regulierungsprozess im Hinblick auf die notwendigen Prozessschritte bei jedem Leistungsfall identisch ist, hängt der tatsächliche Prüfaufwand immer auch vom individuellen Fall ab. Während bei dem einen Antrag direkt nach Eingang aussagekräftiger Arztberichte eine Entscheidung gefällt werden kann, müssen in anderen Fällen weitere Ärzte angefragt oder zunächst Unklarheiten etwa in der Berufsbeschreibung abgeklärt werden. Die Vorgangseingänge und deren Auswirkungen auf den weiteren Regulierungsprozess lassen sich daher kaum beziehungsweise maximal über die Kompetenz des Sachbearbeiters beeinflussen, die Service-Level zur Bearbeitung der einzelnen Teilprozessschritte schon.
Marktweit beträchtliche Spannweite zwischen den Service-Level-Vorgaben
Allerdings konnten in unseren bisherigen Prüfungen zur Leistungsregulierung nur wenige Gesellschaften ein flächendeckendes Service-Level-Konzept vorweisen. Zwar haben nahezu alle von uns untersuchten Versicherer für die wesentlichsten Prozessschritte, wie beispielsweise Antwortzeiten auf Schriftwechsel oder die Auswertung von Arztberichten sowie Erinnerungsfristen, Vorgaben definiert. Zielführend gesteuert oder gar gemessen werden diese jedoch nur vereinzelt und oftmals nicht zeitnah mit den Prozessschritten. Auffällig ist zudem die große Spannweite bei den einzelnen Service-Level-Vorgaben. Beispielsweise liegen diese bei den Antwortzeiten auf Schriftwechsel zwischen ein und zehn Arbeitstagen. Bei der fallabschließenden Bearbeitung nach Eingang aller Unterlagen bewegen sie sich sogar zwischen zwei Arbeitstagen und vier Wochen.
Diese Differenzen sind aus unserer Sicht auf zwei Punkte zurückzuführen. Kurz gefasste Service-Level-Vorgaben korrelieren in hohem Maße mit der personellen Ausstattung der Unternehmen, das heißt je stärker die Personaldichte, umso höher ist der Anspruch an die zeitlichen Vorgaben. Der zweite Aspekt hingegen ist eher politischer Natur. Großzügig festgesetzte Service-Level erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass diese eingehalten werden. In diesen Fällen sind sie aber weniger dazu angedacht, gezielt Geschäftsvorfälle zu steuern, sondern vielmehr Ausdruck einer maximalen Bearbeitungszeit. Eine aktive und kundenorientierte Steuerung gelingt damit jedoch nicht.
Mögliche Warte- und Liegezeiten berücksichtigen
Weitestgehend üblich ist die Priorisierung einzelner Teilprozessschritte anhand des individuellen Krankheitsverlaufs. Oftmals fehlen hier aber die Schritte, die zwar nicht mehr im Aufgabenbereich des Leistungsprüfers liegen, sich aber auf die Gesamtbearbeitungszeit niederschlagen. Hierunter fallen insbesondere Abstimmungsprozesse, wie beispielsweise die Freigabe durch eine Führungskraft oder Rücksprachen mit externen Prozessbeteiligten. So kann es passieren, dass der Leistungsprüfer einen Antrag zwar innerhalb des Serviceziels fallabschließend bearbeitet hat, die Benachrichtigung an den Kunden und somit die Entscheidung aber aufgrund interner Freigabeprozesse dennoch erst Tage oder sogar Wochen später versandt wird. Aus diesem Grund sollte die Definition realisierbarer Bearbeitungszeiten nicht nur auf die einzelnen Teilprozessschritte des Leistungsprüfers abzielen, sondern auch mögliche Warte- und Liegezeiten berücksichtigen.
Die Aktualität der Service-Level ist kontinuierlich zu hinterfragen
Eine stringente Implementierung dieser Vorgaben ist aber nur der erste Schritt. Für eine zielführende Ressourcen- und Kapazitätsplanung ist es unerlässlich, kontinuierlich zu überwachen, inwieweit diese eingehalten werden. Hierfür bieten sich unterschiedliche Systeme an, die frühzeitig auf ein Überschreiten von Vorgaben hinweisen und dem Leistungsprüfer die Möglichkeit geben, entsprechende Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Sie reichen dabei von täglichen Rückstands-berichten auf Basis der eingegangenen Arbeitsvorgänge, bis hin zu ausgereiften technischen Lösungen, die den Leistungsprüfern bereits im laufenden Regulierungsprozess über Warnhinweise eine Service-Level-Überschreitung anzeigen.
Aufgrund der hohen Komplexität in der Leistungsregulierung sowie den sich stetig verändernden Ressourcen, (rechtlichen) Anforderungen und somit auch Abläufen können einstmals gesetzte Service-Level schnell ihre Gültigkeit verlieren. Aus diesem Grund sollte regelmäßig kontrolliert werden, inwieweit die Service-Vorgaben nach wie vor auf dem neuesten Stand sind. Ein regelmäßiger Abgleich anhand der Kundenerwartungen kann hier sehr hilfreich sein, denn grundsätzlich dient eine adäquate Service-Level-Messung vor allem dazu, frühzeitig, das heißt noch vor der Kundenbeschwerde, agieren zu können.
Autorin: Eva Germer (Senior-Consultant ASSEKURATA Solutions GmbH)