Mehr Transparenz bei Beitragsanpassungen gefordert – Rückabwicklung von Beitragserhöhungen als zweischneidiges Schwert
Das jüngste Urteil des Oberlandesgerichts Köln zur nicht ordnungsgemäßen Begründung einer Beitragserhöhung der Axa lässt die Branche der privaten Krankenversicherer (PKV) wieder aufhorchen. Das Gericht hatte Ende Januar entschieden, dass die Gesellschaft einem Versicherten die Mehrbeiträge zurückerstatten muss, weil er über die Gründe für die Beitragsanpassung nicht ausreichend aufgeklärt worden ist. Die Axa hat bereits Revision gegen das Urteil eingelegt.
Nun muss erneut der Bundesgerichtshof (BGH) für Klarheit sorgen, nachdem dieser bereits vor gut einem Jahr im sogenannten Treuhänderstreit zu einer ähnlichen Thematik entschieden hatte. Damals hatte das Gericht geurteilt, dass die Unabhängigkeit von Treuhändern nicht durch Zivilgerichte überprüft werden kann, sondern die Zuständigkeit hierfür allein bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) liegt. Hierdurch war ein entscheidendes Argument der Kläger für die Unwirksamkeit von Prämienerhöhungen weggebrochen. Da das BGH-Urteil allerdings erkennen ließ, dass Beitragsanpassungen korrekt kalkuliert und ausreichend begründet sein müssen, argumentierten Klägeranwälte in der Folge vermehrt mit einer unzureichenden Kundeninformation im Beitragsanpassungsschreiben.
Transparenzoffensive in den Beitragsanpassungsschreiben eingeläutet
Auf diese Thematik haben einige Krankenversicherer bereits früh reagiert und ihre Kundeninformation im Zusammenhang mit Beitragserhöhungen verbessert beziehungsweise transparenter gestaltet. Während manche Versicherer ihre Kunden in ihren Schreiben für Antworten auf wichtige Fragen zum Thema Beitragsanpassungen auf die Homepage verweisen, teilen andere Unternehmen dem Versicherten inzwischen in den Briefen explizit die Höhe der auslösenden Faktoren mit oder bei welchen Rechnungsgrundlagen sich beitragswirksame Erhöhungen oder Senkungen ergeben haben. Die Höhe des Rechnungszinses, welcher derzeit in den meisten Fällen im Rahmen einer Beitragsanpassungen gesenkt werden muss und damit einen wesentlichen Einflussfaktor darstellt, sucht man allerdings meist vergebens. Doch auch hier gibt es positive Ausnahmen. Beispielsweise führt die Debeka die Veränderung des Rechnungszinses in den jeweils versicherten Tarifen dezidiert auf.
Inwieweit das Mehr an Transparenz den Kunden tatsächlich weiterhilft, bleibt offen. In früheren Erhebungen haben wir allerdings festgestellt, dass immerhin rund jeder Fünfte Vollversicherte weniger zufrieden oder sogar unzufrieden war mit der Verständlichkeit der Begründung zur Beitragsanpassung. Bei den Zusatzversicherten war dies dagegen nur bei etwa jedem zehnten Kunden der Fall, was unserer Ansicht nach auch damit zusammenhängt, dass Beitragsanpassungen in der Ergänzungsversicherung deutlich seltener und vor allen Dingen geringer ausfallen als in der Vollversicherung. Um das Verständnis sowie die Akzeptanz für die notwendigen Beitragsanpassungen zu erhöhen, existiert scheinbar gerade in der Vollversicherung ein gewisser Handlungsbedarf bei der Erklärung der doch sehr komplexen Materie der Anpassungsmechanismen. Ungeachtet dessen, wie gut oder schlecht die Schreiben formuliert sind, die Freude über Anlass und Inhalt der Nachricht dürfte sich bei den Kunden dennoch in Grenzen halten.
Freude über unwirksame Beitragsanpassungen könnte nur von kurzer Dauer sein
Auch falls die Gerichte Beitragsanpassungen letztendlich wegen unzureichender Begründungen rückwirkend für unwirksam erklären, dürfte die Freude hierüber auf Seiten der Kunden nur von kurzer Dauer sein. Um das vertraglich garantierte Leistungsversprechen dauerhaft erfüllen zu können, sind die PKV-Unternehmen nämlich in regelmäßigen Abständen auf Beitragsanpassungen angewiesen. Nur so können die Gesellschaften die Kostenentwicklung im Gesundheitswesen, die sogenannte medizinische Inflation, langfristig ausgleichen. Durch die rechtlichen Vorgaben ist allerdings sichergestellt, dass mindestens 80 % der erzielten Überschüsse eines Krankenversicherers der Rückstellung für Beitragsrückerstattung (RfB) zugeführt, also zugunsten der Versicherungsnehmer verwendet werden müssen. Sichtbar wird dies anhand der Überschussverwendungsquote, die im Durchschnitt der Jahre 2009 bis 2018 marktweit bei 88 % lag.
Die Gelder in der RfB gehören somit den Kunden und dienen dazu, Beitragsrückerstattungen für leistungsfreie Versicherte zu finanzieren sowie Beitragsanpassungen zu limitieren. Eine mögliche Rückabwicklung von Beitragserhöhungen würde die Gewinnsituation der Unternehmen beeinträchtigen und sich letztlich negativ auf die RfB auswirken, so dass die Gelder hier fehlen würden. Infolgedessen droht früher oder später eine entsprechend höhere Beitragsanpassung, weil die betroffenen Versicherer über weniger Limitierungsmittel zur Abfederung der Beitragsanpassung verfügen. Auch eine Kürzung der Beitragsrückerstattung ist denkbar. Sollte der BGH im Fall Axa diesmal also zu Ungunsten der PKV-Branche entscheiden, käme dies für die Kunden eher einem Pyrrhussieg gleich.
Autor: Gerhard Reichl (Senior-Analyst ASSEKURATA Rating-Agentur GmbH)