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Nachhaltige Versicherungen (nach der Taxonomie-Verordnung)

Nicht-Lebens- sowie Rückversicherer können einen „wesentlichen Beitrag zur Anpassung an den Klimawandel“ leisten. Welche Voraussetzungen für eine derart nachhaltige Versicherung gegeben sein müssen, findet sich in der Delegierten Verordnung (EU) …/… der Kommission zur Ergänzung der Verordnung (EU) 2020/852 (Taxonomie-Verordnung).

Klimaschutz in der Umsetzung

Für die ersten beiden Umweltziele „Klimaschutz“ und „Anpassung an den Klimawandel“ der Taxonomie-Verordnung stehen seit April 2021 (bzw. seit dem 4. Juni auf Deutsch) die technischen Bewertungskriterien fest. Damit gibt es nun eine Liste nachhaltiger Wirtschaftsaktivitäten, welche die Finanzmarktteilnehmer als „grün“ deklarieren dürfen.

Die Ausführungen finden sich als delegierter Akt zur Taxonomie-Verordnung wieder. Die technischen Bewertungskriterien wurden in Form von zwei Anhängen dieses delegierten Aktes veröffentlicht – jeweils einer für die beiden Umweltziele. Der Anhang für das erste Umweltziel „Klimaschutz“ wendet sich nicht direkt an die Assekuranz mit ihrem Geschäftsmodell „Versichern“. Es dürften sich aber im Zusammenhang mit baulichen Aktivitäten oder im Bereich von Information, Kommunikation und Datenverarbeitung genügend Implikationen für das eigene Geschäft ergeben. Zudem ist die Einstufung von realwirtschaftlichen Aktivitäten als Taxonomie-konform mittelbar interessant für die Versicherer in ihrer Funktion als Kapitalgeber und Risikoträger.

Die technischen Bewertungskriterien für das Ziel „Anpassung an den Klimawandel“ sind umfangreicher und adressieren mehr Tätigkeiten: Auf über 300 Seiten (in der deutschen Fassung) definiert die EU-Kommission für 13 Sektoren mit jeweils vielen Untergruppen, unter welchen Bedingungen davon auszugehen ist, dass eine Wirtschaftstätigkeit nachhaltig ist. Mit der Assekuranz beschäftigen sich die Ziffern 10.1. (Nichtlebensversicherungen: Übernahme klimabedingter Risiken) und 10.2. (Rückversicherungen).
Die Taxonomie-Verordnung hat ein Klassifizierungssystem für ökologisch nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten geschaffen. Artikel 9 der Verordnung definiert nachhaltiges Wirtschaften mittels sechs Umweltzielen sowie drei (Neben-)Bedingungen (siehe Artikel „EU-Taxonomie-Verordnung„). Die Gefahren des Klimawandels, welche die Anwender der Taxonomie bei der Klimarisiko- und Vulnerabilitätsbewertung mindestens berücksichtigen müssen, sind im Anhang A aufgelistet. Artikel 11 der Taxonomie-Verordnung benennt allgemein, wie Anpassungslösungen für den „wesentlichen Beitrag zur Anpassung an den Klimawandel“ beschaffen sein müssen.

Die Nicht-Lebensversicherungen und die Übernahme klimabedingter Risiken
Diese Versicherungsdienstleistungen (außer Lebensversicherungen) können der Verordnung zufolge klimabedingte Risiken übernehmen – und damit als nachhaltig gelten, sofern die Nebenbedingungen erfüllt sind:

(a) Krankheitskostenversicherung
(b) Berufsunfähigkeitsversicherung
(c) Arbeitsunfallversicherung
(d) Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung
(e) Sonstige Kraftfahrtversicherung
(f) See-, Luftfahrt- und Transportversicherung
(g) Feuer- und andere Sachversicherungen
(h) Beistand

Die Punkte c) und h) scheinen etwas missverständlich übersetzt. In der englischen Version ist h) Assistance. Bei c) handelt es sich um die aus dem Angelsächsischen stammende „workers compensation insurance“ – eine Absicherungsform, die es so in Deutschland nicht gibt.

Der wesentliche Beitrag zur Anpassung an den Klimawandel ist dann gegeben, wenn folgende Kriterien erfüllt werden:

Führungsrolle bei der Modellierung und Bepreisung von Klimarisiken

Erwartet werden modernste Techniken, die die Risiken des Klimawandels angemessen widerspiegeln, nicht nur auf historischen Trends beruhen, sondern auch zukunftsorientierte Szenarien umfassen.  Der Versicherer muss bekannt geben, wie er Klimawandelrisiken im Versicherungsschutz berücksichtigt und sollte Anreize zur Risikominimierung setzen. Nach einem klimabedingten Schaden muss er über die Bedingungen für eine Erneuerung/Aufrechterhaltung des Schutzes informieren.

Produktgestaltung

Vorgeschlagen werden risikobasierte Boni für das Ergreifen von Präventivmaßnahmen sowie die Information und Beratung zu Klimarisiken und Prävention. Bei der Vertriebsstrategie muss sichergestellt sein, dass die Versicherungsnehmer über die Relevanz von Präventivmaßnahmen und die Wirkung auf Versicherungsbedingungen informiert werden.

Innovative Versicherungslösungen

Diese sollen klimabedingte Risiken abdecken und spezifische Risikoübertragungslösungen (z. B. Schutz vor Betriebsunterbrechung, Rückwirkungsschäden, andere nicht physische schadenbezogene Verlustfaktoren, Kaskadeneffekte und Interdependenzen von Risiken (sekundären Risiken), Kettenreaktionen aus der Wechselwirkung zwischen Naturgefahren und technologischen Gefahren oder Ausfällen kritischer Infrastrukturen) bieten.

Weitergabe von kostenlosen Daten über Klimarisiken zu Analysezwecken

Dies setzt voraus, dass eine Behörde diese Daten zur Verbesserung der Anpassung an den Klimawandel durch die Gesellschaft in einer Region, einem Land oder international nutzen will. Möglich ist auch die erklärte Absicht, Daten interessierten Dritten kostenlos zur Verfügung zu stellen. Wichtig ist – leicht zugänglich sowie auf der eigenen Website – anzugeben, unter welchen Bedingungen diese Daten weitergegeben werden.

Hohes Leistungsniveau nach klimabedingten Großschadensereignissen

Gefordert werden hohe Abwicklungsstandards: Zeitnah, im Einklang mit dem geltenden Recht, eine faire Bearbeitung, eine bis dahin gute Abwicklungsbilanz und der öffentliche Zugang zu Informationen über Verfahren zu Maßnahmen bei Großschadensereignissen.

Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) geht davon aus, dass alle fünf Kriterien für eine nachhaltige Versicherung erfüllt sein müssen. Hinzu kommt, dass gemäß der Nebenbedingung aus Artikel 9 der Taxonomie-Verordnung die „Anpassung an den Klimawandel“ keines der anderen fünf Nachhaltigkeitsziele erheblich beeinträchtigen darf. Da die EU-Kommission bisher nur zu den ersten beiden Zielen die technischen Kriterien formuliert hat, macht sie nur zum „Klimaschutz“ folgende Angabe: „Die Tätigkeit umfasst weder die Versicherung der Gewinnung, der Lagerung, des Transports oder der Herstellung fossiler Brennstoffe noch die Versicherung von Fahrzeugen, Sachanlagen oder anderen Anlagen, die diesen Zwecken dienen.“

Rückversicherungen

Die technischen Bewertungskriterien für die Rückversicherer entsprechen im Wesentlichen denen der Nichtlebensversicherer.

Der wesentliche Beitrag der Rückversicherer zur Anpassung an den Klimawandel ist dann gegeben, wenn folgende Kriterien erfüllt werden:

  • Führungsrolle bei der Modellierung und Bepreisung von Klimarisiken
  • Unterstützung der Entwicklung und Bereitstellung geeigneter Nichtlebensversicherungsprodukte
    Innovative Rückversicherungslösungen
  • Weitergabe von kostenlosen Daten über Klimarisiken zu Analysezwecken
  • Hohes Leistungsniveau nach klimabedingten Großschadensereignissen

Analog den Bedingungen für die Erstversicherer darf die Rückversicherungstätigkeit nicht im Zusammenhang stehen mit Versicherungsschutz für die Übertragung der Versicherung der Gewinnung, der Lagerung, des Transports oder der Herstellung fossiler Brennstoffe oder die Übertragung der Versicherung von Fahrzeugen, Sachanlagen oder anderen Anlagen, die diesen Zwecken dienen. Andernfalls wäre das Nachhaltigkeitsziel „Klimaschutz“ erheblich beeinträchtigt.

Zum Nach- und Weiterlesen:

Verordnung (EU) 2020/852 des europäischen Parlaments und des Rates über die Einrichtung eines Rahmens zur Erleichterung nachhaltiger Investitionen und zur Änderung der Verordnung (EU) 2019/2088 (Taxonomie-Verordnung)

Autorin: Monika Lier (Freie Journalistin)