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Gutachten in der Leistungsprüfung – ein Störfaktor im Prozess!?

Gutachten in der Leistungsprüfung – ein Störfaktor im Prozess!?

Die Schnelligkeit der Service- und Prozesszeiten stellt ein zentrales Element in der kundenorientierten BU-Leistungsregulierung dar. Erschwert wird dieser Anspruch allerdings zumeist in den Fällen, in welchen die Expertise externer Fachleute benötigt wird. Im Rahmen unserer Fairness-Prüfung, welche wir seit 2015 durchführen, konnten wir feststellen, dass die Versicherer vergleichsweise selten Gutachten in Auftrag geben. So lag die Gutachterquote (Anzahl der beauftragten Gutachten bezogen auf die Anzahl der Leistungsentscheidungen eines Jahres) in den von uns untersuchten neun Häusern 2018 bei durchschnittlich nur 6,1 Prozent.

Zu einem nahezu identischen Ergebnis kommt aktuell auch der Gesamtverband der Versicherungswirtschaft in seiner jährlichen Umfrage unter den Mitgliedsunternehmen. Nach Angaben des GDV verlängern sich in diesen Fällen die Prüfzeiten allerdings um durchschnittlich 73 Tage. Bei aller Notwendigkeit stellt dies die Geduld der Kunden in diesen Fällen zumeist vor eine harte Probe. Allerdings können Versicherer dazu beitragen, den Prozess für den Kunden möglichst effizient und auch transparent zu gestalten. Hierfür sind drei Faktoren entscheidend:

  1. Die Vermeidung unnötiger Gutachten
  2. Eine sorgfältige Gutachterauswahl und -beauftragung
  3. Eine aktive Gestaltung des Prozesses

Umso höher die (medizinische) Kompetenz des Leistungsprüfers, desto eher lassen sich unnötige Gutachten vermeiden. Diesen Zusammenhang hat mittlerweile der Hauptteil der Unternehmen erkannt und investiert entsprechend umfassend in die Aus- und Fortbildung ihres Leistungs-bearbeitungspersonals. Üblicherweise werden Neueinsteiger intensiv eingearbeitet und begleitet sowie kontinuierlich weitergebildet. Die Leistungsprüfer werden so Schritt für Schritt in die Lage versetzt, zu entscheiden, ob und in welchen Fällen Gutachter benötigt werden. Ergänzend hilft es da, wenn sie auf kompetente Ansprechpartner zurückgreifen können, die zum Beispiel durch spezifisches Wissen komplexe Fälle noch besser einschätzen können.

Immer mehr Versicherer stellen deshalb beispielsweise gezielt Spezialisten wie Psychologen oder Arbeitsmediziner ein, um die Entscheidungskompetenz der Leistungsprüfer zu festigen. darüber hinaus etablieren viele Unternehmen innerhalb ihrer Leistungsabteilungen so genannte Fachexpertenkreise, in denen erfahrene Leistungssachbearbeiter mit erweiterten medizinischen oder berufskundlichen Kenntnissen ihr Wissen an die Kollegen weitervermitteln.

Sollte der BU-Sachverhalt dennoch eine Zweitmeinung vor allem zu psychologischen oder orthopädischen Fragestellungen erfordern, ist ein vorhandenes Netzwerk verlässlicher Dienstleister sehr hilfreich. Dabei ist es zunächst einmal erforderlich zu wissen, welche Spezialisten überhaupt Gutachten für BU-Versicherer erstellen. Aus diesem Grund erfassen alle von uns geprüften Versicherer wesentliche Informationen wie Kontaktdaten und die Fachrichtung der Gutachter. Dabei beobachten wir einige Unterschiede bei den genutzten Datenbanken, was sich auch auf die Sorgfalt der Gutachterauswahl niederschlagen kann. So hat eine separat geführte Excel- oder Access-Datenbank den Nachteil, dass Daten nicht konsequent gepflegt werden, während eine im Prüfsystem hinterlegte Erfassungsmaske dem Sachbearbeiter den Eintrag zum Gutachter vorschlägt oder sogar abfordert.

In einem weiteren Schritt sollten die beauftragten Gutachten auch bewertet werden. In der Praxis ist das Gutachtercontrolling jedoch sehr unterschiedlich ausgeprägt. Während einzelne Leistungsabteilungen lediglich Kriterien wie die Kosten oder Dauer der Gutachtenerstellung erfassen, nehmen andere eine umfangreiche Qualitätsbewertung vor. Bewertet wird dabei beispielswiese, ob Fragen vollständig beantwortet wurden, die Befunderhebung nachvollziehbar oder die medizinische Einschätzung schlüssig war.

So sollte der Gutachter bei der Beurteilung zum Beispiel unbedingt die bedingungsgemäße Berufsunfähigkeitsdefinition berücksichtigen. Die Sachbearbeiter vergeben Punkte für die Qualität, deren Ausprägung in Form einer Ampellogik angezeigt wird. Zudem verifizieren häufig unternehmensinterne Fachärzte oder die Experten der Rückversicherer die medizinischen Aspekte.
Eine weitere Stellschraube auf Seiten der Versicherer ist die Gestaltung der Gutachteraufträge. Diese müssen im Idealfall so beschrieben sein, dass genau hervorgeht, was zu prüfen ist. Ein uneindeutiger Auftrag, der also Interpretationsspielräume lässt, kann letztendlich in einem unbrauchbaren Gutachten münden, womit im Zweifelsfall wertvolle Ressourcen und Zeit verschwendet worden wären. Daher werden die Mitarbeiter entsprechend geschult. Vereinzelt beobachten wir sogar, dass die Gesellschaftsärzte eine Qualitätskontrolle der Gutachteraufträge vornehmen und den Leistungsprüfern gezielt Verbesserungsmöglichkeiten aufzeigen.

Sind diese beiden Hauptaspekte – das heißt, wer zu beauftragen ist und wie – erfüllt, gilt es, den Prozess aktiv im Kundeninteresse zu gestalten. Die Sachbearbeiter sollten daher stets im Vorfeld klären, ob der Gutachter zeitnah für den spezifischen Auftrag zur Verfügung steht. Weiterführend können die Vereinbarung von Lieferfristen und regelmäßige Erinnerungen die Gutachtenerstellung in einem zeitlichen Rahmen halten. Im Sinne der Kundenorientierung informieren die Versicherer den Kunden dabei frühzeitig über die Notwendigkeit eines Gutachtens und versuchen zudem, die Gutachtenaufträge möglichst in Wohnortnähe zu vergeben.

Viele Häuser sind hierbei kontinuierlich auf der Suche nach Möglichkeiten, ihre Prozesse weiter zu optimieren. So gehen einige Entwicklungen dahin, durch Maßnahmen wie Teleclaiming oder Vor-Ort-Besuche den Austausch zwischen dem Versicherer und Leistungsantragssteller persönlicher und intensiver zu gestalten und dadurch seine berufliche bzw. medizinische Situation besser zu erfassen. Dabei bestehen nicht immer alle Ideen den Praxistest. Wichtig ist es jedoch, den Prozess stets aus Kundesicht zu betrachten und offen für Optimierungsmöglichkeiten zu bleiben.

Autorin: Hannah Sütterle (Senior-Analystin Assekurata Solutions GmbH)