Versicherungen, Banken und große kapitalmarktorientierte Unternehmen sind bereits seit 2017 zur Nachhaltigkeitsberichterstattung verpflichtet. Diese nichtfinanzielle Berichterstattung soll im Rahmen des EU Green Deals und des EU Aktionsplans: Finanzierung nachhaltigen Wachstums vereinheitlicht und ausgeweitet werden.
Eine neue Richtlinie zur nicht-finanziellen Berichterstattung
„Die Überarbeitung der „Non Financial Reporting Directive“ (NFRD) ist von wesentlicher Bedeutung, um den Bedürfnissen der Nutzer nach relevanten, vergleichbaren und zugänglichen Informationen gerecht zu werden.“ Dies fordert die European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) in ihrem für die EU-Kommission im Februar 2021 erstellten „Final Report Proposals for a relevant and dynamic EU sustainability reporting standardsetting„. Um Investorengelder in nachhaltige Projekte zu lenken, bedürfe es „robusterer Daten über die Risiken, denen Unternehmen in Bezug auf Nachhaltigkeitsthemen ausgesetzt sind, und über deren Auswirkungen auf die Gesellschaft und die Umgebung“, begründet die europäische Beratergruppe.
Die im „EU April Package“ von der Europäischen Kommission verabschiedeten Maßnahmen sollen dem Rechnung tragen. Auf den Weg gebracht wurde unter anderem die neue Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen mit der in der „Corporate Sustainability Reporting Directive“ (CSRD) geänderten Terminologie.
Die CSRD liegt im Entwurf seit dem 21. April 2021 vor. Dem aktuellen Zeitplan für die Gesetzgebung zufolge müssten die Unternehmen die Regelungen ab dem 1. Januar 2024 für das Geschäftsjahr 2023 anwenden.
Deutschland hatte die EU-Richtlinie NFRD mit dem CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz (CSR-RUG) in nationales Recht umgesetzt – weshalb jetzt bei der Überarbeitung auch ein „CSR-RUG 2.0“ gefordert wird. Konkret sind in Deutschland zu diesem Reporting bisher kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaften, Versicherungen, Kreditinstitute, haftungsbeschränkte Personengesellschaften und Genossenschaften verpflichtet, sofern sie entweder mehr als 500 Mitarbeiter beschäftigen oder zwei von drei Größenkriterien erreichen – 40 Millionen Euro Umsatz, 20 Millionen Euro Bilanzsumme, 250 Zahl der Mitarbeitenden. Informiert werden muss über Umwelt-, Arbeitnehmer- und Sozialbelange sowie über Maßnahmen zur Achtung der Menschenrechte und Bekämpfung der Korruption – zusammen mit dendazu gehörenden Strategien, Risiken, Vorgehensweisen und Prozessen. Die wesentlichen Vorschriften dazu sind die Paragrafen 289b bis e HGB.
Die Ziele
Mit der in Arbeit befindlichen CSRD „soll sichergestellt werden, dass angemessene, öffentlich zugängliche Informationen über die Risiken für Unternehmen im Zusammenhang mit Nachhaltigkeitsaspekten und über die Auswirkungen der Unternehmen selbst auf Mensch und Umwelt zur Verfügung stehen“, erläutert die Kommission. Standards für Großunternehmen und separate, verhältnismäßige Standards für KMU sollen dafür sorgen, dass die Unternehmen „relevante, vergleichbare und zuverlässige Nachhaltigkeitsinformationen offenlegen“. Ziel ist ein „konsistenter und kohärenter Informationsfluss entlang der finanziellen Wertschöpfungskette“. Nicht börsennotierte KMU können die Standards freiwillig anwenden.
Gefordert wird die Berichtspflicht für alle Unternehmen, die am Bilanzstichtag mindesten zwei von drei Größenkriterien (mehr als 20 Millionen Euro Bilanzsumme, mehr als 4 Millionen Euro Jahres-Nettoumsatz, mehr als 250 Mitarbeitende) erfüllen, sofern die Unternehmen in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft oder aber einer gleichgestellten Rechtsform (z. B. GmbH & Co. KG) firmieren. Versicherungsunternehmen und Kreditinstitute werden unverändert ihrer Rechtsform ebenfalls von der Berichtspflicht erfasst, sofern sie Größenkriterien überschreiten. Zudem sollen die Regeln für alle an einer EU-Börse notierten Unternehmen gelten; ausgenommen sind Kleinstunternehmen. Geschätzt wird, dass sich der Kreis der Berichtspflichtigen EU-weit auf fast 50.000 (bisher 11.000) Unternehmen erweitert – das wären aber immer noch deutlich weniger als ein Prozent aller EU-Unternehmen. In Deutschland könnte die Berichtspflicht voraussichtlich bis zu 15.000 Unternehmen betreffen.
Geplante Änderungen
Bislang obliegt es den Unternehmen, ob sie eine nichtfinanzielle Erklärung im Lagebericht ihres Geschäftsberichtes abgeben oder einen eigenständigen Nachhaltigkeitsbericht aufstellen. Diese Wahlmöglichkeit soll wegfallen und die Nachhaltigkeitsberichterstattung regulär in den Geschäftsbericht integriert werden. Dies und die Pflicht, alle Informationen in einem digitalen, maschinenlesbaren Format zu veröffentlichen, dürften ihr zu mehr Beachtung verhelfen.
Gleichzeitig wird die Haftung für Aussagen verschärft: Für die Nachhaltigkeitsberichterstattung sollen künftig die Mitglieder der Verwaltungs-, Leitungs- und Aufsichtsorgane kollektiv verantwortlich sein. Die Berichterstattung muss zudem von einem Abschlussprüfer hinsichtlich der verwendeten Berichtsstandards, des Prozesses der Informationsgewinnung und der Ermittlung der Indikatoren nach der Taxonomie-Verordnung kontrolliert werden. Verstöße gegen die Pflicht zur Veröffentlichung der Informationen werden geahndet. Der Vorschlag der EU-Kommission sieht bereits Mindeststrafarten und Prozessvorgaben bei der Strafermittlung vor.
Um die wirklich wichtigen Sachverhalte zu erfassen, verlangt das CSRD von den Unternehmen nicht nur eine Wesentlichkeitsanalyse (auch Materialitätsanalyse), sondern die Prüfung der doppelten Wesentlichkeit. Nach diesem Grundsatz sollen die Unternehmen „sowohl darüber berichten, wie sich Nachhaltigkeitsaspekte auf ihr Geschäftsergebnis, ihre Lage und ihren Geschäftsverlauf auswirken („Outside-in-Perspektive“), als auch darüber, welche Auswirkungen diese Aspekte auf Mensch und Umwelt haben („Inside-out-Perspektive“)“.
Zu berichten ist über die ESG-Faktoren – also über umweltbezogene und soziale Aspekte sowie über die Praxis für die Leitung und Überwachung des Unternehmens. „Environmental“ entspricht den sechs Umweltzielen des Artikel 9 der Taxonomie-Verordnung.
Die Corporate Sustainability Reporting Directive verlangt eine Erklärung, die alle Angaben enthält, die für das Verständnis des Geschäftsverlaufs, des Geschäftsergebnisses, der Lage des Unternehmens sowie der Auswirkungen seiner Tätigkeit erforderlich sind.
Artikel 26 des Richtlinienentwurfs nennt die Informationen, die offengelegt werden sollen. Es geht um
„Informationen zu fünf Berichterstattungsbereichen […]: Geschäftsmodell, Konzepte (einschließlich der angewandten Due-Diligence-Prozesse), Ergebnisse dieser Konzepte, Risiken und deren Handhabung sowie wichtigste Leistungsindikatoren, die für die betreffende Geschäftstätigkeit von Bedeutung sind. […] Die Offenlegungspflichten sollten hinreichend spezifiziert werden, um sicherzustellen, dass Unternehmen Informationen über ihre Widerstandsfähigkeit gegenüber Nachhaltigkeitsrisiken melden. Zusätzlich […] sollten Unternehmen daher zur Offenlegung von Informationen zu folgenden Bereichen und Fragen verpflichtet werden: Geschäftsstrategie und Widerstandsfähigkeit des Geschäftsmodells und der Strategie gegenüber Nachhaltigkeitsrisiken, etwaige Pläne, mit denen die Vereinbarkeit ihres Geschäftsmodells und ihrer Geschäftsstrategie mit dem Übergang zu einer nachhaltigen und klimaneutralen Wirtschaft sichergestellt werden soll; ob und wie ihr Geschäftsmodell und ihre Geschäftsstrategie den Interessen der Interessenträger Rechnung tragen; etwaige Chancen des Unternehmens im Zusammenhang mit Nachhaltigkeitsaspekten; Umsetzung jener Aspekte der Geschäftsstrategie, die Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsaspekte haben oder von Nachhaltigkeitsaspekten betroffen sind; etwaige Nachhaltigkeitsziele des Unternehmens und diesbezüglich erzielte Fortschritte; die Rolle des Verwaltungsrats und der Geschäftsleitung im Hinblick auf Nachhaltigkeitsaspekte; die wesentlichen – tatsächlichen und potenziellen – nachteiligen Auswirkungen im Zusammenhang mit den Tätigkeiten des Unternehmens; wie das Unternehmen die Informationen, die Gegenstand der Berichterstattung sind, ermittelt. Sobald die Offenlegung von Elementen wie den Zielen und den diesbezüglich erzielten Fortschritten verpflichtend eingeführt wird, wird die gesonderte Verpflichtung zur Offenlegung der Ergebnisse von Konzepten hinfällig.“
Offengelegt werden sollen auch Informationen über immaterielle Vermögenswerte sowie über Lieferketten.
Die Informationen sollen:
- qualitativ und quantitativ sowie
- vergangenheits- und zukunftsorientiert sein
- und kurz-, mittel- und langfristige Zeithorizonte berücksichtigen
Dem Entwurf zufolge entspricht „kein bestehender Standard und kein bestehendes Rahmenwerk (…) den Bedürfnissen der Union im Hinblick auf eine detaillierte Nachhaltigkeitsberichterstattung.“ Deshalb hat die EU-Kommission die Entwicklung von „verpflichtenden EU sustainability reporting standards“vorgeschlagen. In Zusammenarbeit mit der EFRAG sowie weiteren Stakeholdern, wie den EU-Mitgliedstaaten und Aufsichtsbehörden, insbesondere der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA), sollen dazu delegierte Rechtsakte entwickelt werden. Erste Standards sollen im Oktober 2022 vorliegen.
Gleichwohl sieht Artikel 37 vor, dass die Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung „verhältnismäßig sein und den Unternehmen, die sie anwenden müssen, keinen unnötigen Verwaltungsaufwand auferlegen“ sollen.
Um Störungen zu vermeiden, sollten die Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung gegebenenfalls bereits bestehende Standards und Rahmenwerke für nachhaltigkeitsbezogene Berichterstattung und Rechnungslegung berücksichtigen. Genannt werden im Entwurf die Global Reporting Initiative, das Sustainability Accounting Standards Board, der International Integrated Reporting Council, das International Accounting Standards Board, die Task Force on Climate-related Financial Disclosure, das Carbon Disclosure Standards Board und CDP. Die EU-Standards sollen zudem „sämtlichen Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung Rechnung tragen, die „unter der Schirmherrschaft der International Financial Reporting Standards Foundation entwickelt wurden“.
Bisherige Praxis
Für die Assekuranz dürfte die CSRD vor allem eine Hilfe zur Berichterstattung über ihre Nachhaltigkeitsbemühungen sowie -risiken sein. Studien und Auswertungen der bisherigen Berichte zeigen, dass die Mängel weniger darin liegen, dass Unternehmen nicht berichten, sondern vielmehr darin, was sie berichten. „Die Aussagekraft der CSR-Berichte ist in der derzeitigen Form in vielen Fällen begrenzt. Die dort abgebildeten Informationen sind häufig selektiv – je nachdem, welchen Schwerpunkt das Unternehmen setzt,“ schreibt Assekurata-Analyst Christoph Venderbosch im Assekurata-Blog.
Banken und Versicherer nutzen den Lagebericht für ihre nichtfinanziellen Erklärungen bisher wenig. So kommt eine Studie des Deutschen Rechnungslegungs Standards Committees (DRSC) für die Jahre 2017 bis 2019 zu dem Ergebnis, dass nur 11,6 Prozent diese Erklärung im Geschäftsbericht abgeben. Bei den übrigen kapitalmarktorientierten Unternehmen sind es 38 Prozent. 60 Prozent der Versicherer/Banken veröffentlichen die Nachhaltigkeitsberichterstattung auf ihrer Website sowie im Bundesanzeiger – bei den Kapitalmarktorientierten liegt die Quote über 90 Prozent. Das Wesentlichkeitsverständnis beschreibt der Studie zufolge weniger als die Hälfte aller untersuchten Unternehmen. Bei der detaillierten Betrachtung der einzelnen Aspekte zeigte sich laut DRSC, dass über Risiken aus Geschäftsbeziehungen und über Risiken aus Produkten und Dienstleistungen wenig oder sogar kaum berichtet wurde.
In der im Februar 2021 veröffentlichte DRSC-Studie gehen die Autoren davon aus, dass die Zahl der berichtspflichtigen Unternehmen in Deutschland um das 30-fache steigen wird, weil die Hürde bei den Größenkriterien abgesenkt worden ist. Da die Assekuranz im Wesentlichen nicht unter diese Definitionen fiel, dürfte sich hier wenig ändern.
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