Im Einklang mit den Zielen der EU ist „sustainable finance“ eine strategische Priorität für die Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (EIOPA). Für die Jahre 2023 bis 2026 nennt die Europäische Aufsichtsbehörde in ihrer Planung zwar insgesamt sechs strategische Prioritäten (Nachhaltige Finanzierung, digitale Transformation, Aufsicht, Politik, Finanzielle Stabilität, Interne Governance), der Fokus liegt aber auf der Nachhaltigkeit. Die EIOPA will ein „Kompetenzzentrum für die Identifizierung und Bewertung von Nachhaltigkeitsrisiken“ werden.
Mission, Vision und Strategie
Die EIOPA sieht ihre Aufgabe darin, zur kurz-, mittel- und langfristigen Stabilität sowie zur Nachhaltigkeit des Finanzsystems beizutragen. Dies soll mit einem soliden Regulierungsrahmen und konsistenten Aufsichtspraktiken erreicht werden.
Für die Mehrjahresplanung nennt die EIOPA als strategische Ziele:
- die Gewährleistung eines „starken und einheitlichen Verbraucherschutzes“ in der EU und
- die Stärkung der Resilienz und Nachhaltigkeit des Finanzsektors. Dies soll dessen Effektivität sicherstellen sowie für gleiche Wettbewerbsbedingungen und einen „barrierefreien“ Zugang zu Finanz-Dienstleistungen (financial inclusion) sorgen.
Dazu hat sie für die Jahre 2023 bis 2026 folgende strategische Prioritäten festgelegt:
Nachhaltige Finanzierung: Dabei will sie zugunsten von Bürgern und Unternehmen zum Aufbau nachhaltiger Versicherungen – auch durch die Schließung von Schutzlücken (protection gaps) – beitragen.
Digitale Transformation: Bei der Minderung der Risiken durch die digitale Transformation will sie die Aufsichtsgemeinschaft und die Branche unterstützen. Die Chancen aus der Transformation sollen genutzt und die datengesteuerte Kultur gefördert werden.
Aufsicht: Sie will eine solide, effiziente und kohärente (Verhaltens-) Aufsicht in Europa fördern. Dabei hat sie speziell die zunehmenden grenzüberschreitenden Geschäfte im Blick.
Politik: Hier will sie hochwertige Beratung und andere politische Arbeit leisten. Dabei will sie die sich ändernden und wachsenden Bedürfnisse der Gesellschaft sowie die Auswirkungen neuer horizontaler Vorschriften berücksichtigen.
Finanzielle Stabilität: Diese will sie weiter stärken. Besondere Schwerpunkte legt sie auf die Analyse von Sektor-Risiken, Schwachstellen und neu auftretenden Bedrohungen im Finanzsektor.
Interne Governance: Selbst will sie eine vorbildliche EU-Behörde mit hohen professionellen Standards, kosteneffektiver Governance und einem positiven Ruf innerhalb der EU und weltweit sein.
Die EIOPA schreibt der Assekuranz hinsichtlich nachhaltiger Finanzierung, aber auch Greenwashing-bezogener Risiken eine „Schlüsselrolle als Risikomanager der Gesellschaft und wichtiger langfristiger Investoren“ zu. Sie selbst will sich nach eigenem Wortlaut „bemühen, ein Kompetenzzentrum für die Identifizierung und Bewertung von Nachhaltigkeitsrisiken“ zu werden, um die Arbeit der Branche in Sachen ESG zu unterstützen. Ihre nachhaltige Finanzüberlegungen will sie in alle Arbeitsbereiche integrieren.
In diesem Zusammenhang seien die Ambitionen, regelmäßige Klimastresstests durchzuführen – basierend auf soliden Methodologien – zu sehen, so die Aufsicht. Begonnen werden soll mit einem Stresstest zu den Übergangsrisiken.
Zu den wesentlichen Aufgaben für 2023 zählt sie
- die aufsichtsrechtliche Behandlung von Vermögenswerten und Aktivitäten, die mit ökologischen und/oder sozialen Zielen verbunden oder wesentlich verbunden sind oder solchen Zielen schaden könnten,
- Fortschritte bei der Neubewertung der Standardformel für das Naturkatastrophenrisiko sowie
- die Initiative zur doppelten Wesentlichkeitsperspektive im gesamten EU-Finanzsystem.
Zudem geht es ihr darum, ihre Reputation als Aufsichtsbehörde – sowohl innerhalb der EU als auch weltweit – zu verbessern. Sie will eine solide Aufsichts- und Verhaltensweise aufbauen. Diese soll auf Rahmenbedingungen fußen, die Nachhaltigkeitsrisiken fair, verhältnismäßig und faktenbasiert integrieren. Angestrebt wird ein strukturierter Prozess, der damit beginnt, das Verständnis für die ESG-Risiken bei den Beteiligten zu verbessern. Bei potenziellen, für die Gesellschaft systemischen Risiken – neben den Folgen des Klimawandels auch Cyber oder Pandemie – sollen zunehmend Open-Source-Modellierungen verwendet werden. Dabei sollen technische Neuerungen bei der Erhebung und Verwendung von Daten zu standardisierten und umfassenderen Versicherungsschadendaten verhelfen. Dieser strukturierte Prozess soll auch Schwachstellen im Versicherungsschutz („protection gaps“) aufdecken. Ziel sei es, für derartige Risiken das Bewusstsein (auch bei den Verbrauchern), die Versicherbarkeit und die Anpassungsfähigkeit (z. B. durch Prävention) zu erhöhen. Die Aufsicht will in diesem Zusammenhang das Verhalten der Verbraucher analysieren, um zu verstehen, warum verfügbarer Versicherungsschutz nicht immer angenommen wird.
Bei der Bekämpfung von Greenwashing arbeitet die EIOPA mit der ESMA und der EBA zusammen. Zudem plant die EIOPA eine Stellungnahme zur Umsetzung ihres „Anwendungsleitfaden zu Wesentlichkeitsbewertungen zum Klimawandel und Klimawandelszenarien in ORSA“.
Mit zur Nachhaltigkeitsstrategie der EIOPA gehört aber auch die eigens angestrebte Ausrichtung „als Modell-Aufsicht der EU“. Hier verfolgt sie das Ziel, als „großartiger und lohnender“ Arbeitgeber in der EU wahrgenommen zu werden. Um dies zu erreichen, will sie die notwendigen Bedingungen für ein diverses und integratives Arbeitsumfeld mit fairen und ausgewogenen Zugangs-, Entwicklungs- und Karrierechancen schaffen, in dem die Mitarbeitenden eine hohe Leistung erbringen können. Darüber hinaus will sie die Auswirkungen ihrer Tätigkeiten auf die Umwelt verbessern, indem sie neben dem Aktionsplan für das eigene Umweltmanagementsystem auch das EU-System für das Umwelt-management und die Umweltbetriebsprüfung (EMAS) umsetzt.
Mögliche Implikationen der EIOPA-Strategie für die Assekuranz
Dass die EIOPA ein „Kompetenzzentrum für die Identifizierung und Bewertung von Nachhaltigkeitsrisiken“ werden will, zeigt, wie ernst es ihr mit den ESG-Risiken ist. Sie wird der Branche – welche die „einzigartige Gelegenheit und Verantwortung zur Bewältigung nachhaltigkeitsbezogener Herausforderungen hat … (und der eine) Schlüsselrolle als Risikomanager der Gesellschaft gegeben ist“ – demzufolge einiges abverlangen. Laut Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht nutzte Ende 2021 jedoch erst ein Viertel der deutschen Unternehmen Klimastresstests und Szenarioanalysen zur Messung von ESG-Risiken. Das dürfte den europäischen Aufsehern quantitativ auf Sicht nicht reichen.
Qualitativ wachsen die Anforderungen an die Unternehmen durch die geplanten, oben genannten Werkzeuge, um ESG-Risiken sichtbarer und berechenbarer zu machen. Ihren „Anwendungsleitfaden zu Wesentlichkeitsbewertungen zum Klimawandel und Klimawandelszenarien in ORSA“ wollte die EIOPA als unverbindliche Orientierungshilfe verstanden wissen. Noch sind die Unternehmen aufgefordert, sich in diesem Rahmen selbst mit ESG-gerechten Risiko- und Solvabilitätsbeurteilungen einzubringen. Wie weit werden ESG-Themen jedoch zum aufsichtlichen Konvergenzinstrument, wenn die EIOPA Kompetenzzentrum ist?
Zum Nach- und Weiterlesen:
Revised Single Programming Document 2023-2025, Including Annual Work Programme 2023