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Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD)

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Die geplante Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD)  zielt darauf ab, nachhaltiges und verantwortungsvolles Verhalten in Unternehmen zu fördern und sicherzustellen, dass Menschenrechts- und Umweltüberlegungen in ihre Geschäftstätigkeiten und Corporate Governance integriert werden. Die Europäische Kommission betrachtet das Verhalten von Unternehmen als entscheidend für den Erfolg des EU-Green Deals und die Verwirklichung der Ziele der Vereinten Nationen. Es ist wichtig zu beachten, dass der Richtlinienvorschlag zur Regulierung von Lieferketten strenger und umfassender ist als das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG).

Gleiche Sorgfaltspflichten für (fast) alle

Der Richtlinienvorschlag zur Lieferkettenregulierung soll die nationalen Rahmenbedingungen für die Sorgfaltspflicht von Unternehmen in den EU-Mitgliedstaaten harmonisieren. Die EU-Kommission will „den Beitrag der im Binnenmarkt tätigen Unternehmen zur Achtung der Menschenrechte und der Umwelt in ihrer eigenen Geschäftstätigkeit und entlang ihrer Wertschöpfungsketten fördern, indem Unternehmen die durch ihre Tätigkeit verursachten negativen Auswirkungen auf die Menschenrechte und die Umwelt ermitteln, verhindern, mindern und dafür Rechenschaft ablegen und indem sie über angemessene Unternehmensführungs- und Managementsysteme sowie Maßnahmen zur Erfüllung dieses Zwecks verfügen.“

Konkret nennt der Vorschlag diese fünf Ziele:

  1. Verbesserung der Corporate-Governance-Praktiken mit dem Ziel, Risikomanagement und Verfahren zur Minderung von Risiken besser in Unternehmensstrategien zu integrieren,
  2. Vermeidung einer Fragmentierung der Bestimmungen zu den Sorgfaltspflichten im Binnenmarkt und Schaffung von Rechtssicherheit
  3. Erhöhung der Rechenschaftspflicht von Unternehmen für negative Auswirkungen und Sicherstellung der Kohärenz für Unternehmen
  4. Verbesserung des Zugangs zu Abhilfemaßnahmen für Betroffene und
  5. ein horizontales Instrument, das sich auf Geschäftsprozesse konzentriert, das andere Maßnahmen der EU ergänzt.

Am 1. Dezember 2022 hat der Europäische Rat seine Position zum Entwurf der Kommission veröffentlicht. Das EU-Parlament hat seine Position am 1. Juni 2023 aktualisiert und plädiert für eine „enorme Ausweitung“ des Gesetzes, während der Europäische Rat eine „mildere Anwendung“ anstrebt. Im Sommer 2023 beginnen die Trilog-Gespräche zwischen Kommission, Rat und Parlament, sodass die EU-Richtlinie Ende 2023 verabschiedet werden soll. Bis spätestens Ende 2025 muss die EU-Richtlinie dann in nationales Recht umgesetzt werden und das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz angepasst werden. Ab 2026 treten die nationalen Umsetzungsgesetze dann gestaffelt nach Unternehmensgröße in Kraft.

Geplante Praxis

Der Vorschlag der EU-Kommission sieht vor, dass die Richtlinie in folgenden Bereichen angewendet werden soll:

  • Große EU-Gesellschaften mit beschränkter Haftung:
    Gruppe 1: Auf rund 9.400 Unternehmen mit mehr als 500 (jeweils auf vollzeitäquivalente umgerechnete) Mitarbeiter und mehr als 150 Millionen Euro Jahresnettoumsatz weltweit und
    Gruppe 2: Rund 3.400 Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern und weltweit mehr als 40 Millionen Euro Jahresnettoumsatz, der zu mindestens 50 Prozent aus einem oder mehreren „Sektor(en) mit hohem Schadenspotenzial“ stammt.

Zeitarbeitnehmer werden dabei in die Anzahl der Mitarbeiter eingerechnet. Auch Nicht-EU-Unternehmen, die entsprechend hohe Umsätze in der EU erzielen, werden von der Richtlinie erfasst. Nach Angaben der EU-Kommission fallen rund 2.600 Nicht-EU-Unternehmen in Gruppe 1 und rund 1.400 in Gruppe 2.

Als „High-Impact-Sektoren“ gelten:

  • die Herstellung von Textilien, Leder und verwandten Erzeugnissen (einschließlich Schuhe), der Großhandel mit Textilien, Bekleidung und Schuhen;
  • Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Fischerei (einschließlich Aquakultur), Herstellung von Lebensmittelprodukten und Großhandel mit landwirtschaftlichen Rohstoffen, lebenden Tieren, Holz, Lebensmitteln und Getränken;
  • Gewinnung mineralischer Ressourcen, unabhängig davon, wo sie gewonnen werden (einschließlich Rohöl, Erdgas, Steinkohle, Braunkohle, Metalle und Metallerze sowie aller anderen, nichtmetallischen Mineralien und Steinbruchprodukte), Herstellung von Grundmetallerzeugnissen, sonstigen Erzeugnissen aus nichtmetallischen Mineralien und Metallerzeugnissen (ausgenommen Maschinen und Ausrüstungen) sowie Großhandel mit mineralischen Rohstoffen, mineralischen Grunderzeugnissen und Zwischenerzeugnissen (einschließlich Metalle und Metallerze, Baustoffe, Brennstoffe, Chemikalien und andere Zwischenprodukte).

„Der Finanzsektor sollte aufgrund seiner Besonderheiten, insbesondere hinsichtlich der Wertschöpfungskette und den angebotenen Dienstleistungen, nicht als eine Branche mit hohem Schadenspotenzial gemäß dieser Richtlinie betrachtet werden, auch wenn branchenspezifische OECD-Leitfäden für ihn gelten“, so die Erläuterungen zur Richtlinie. Es solle aber sichergestellt werden, dass tatsächliche und potenzielle negative Auswirkungen in dieser Branche in breiterem Umfang erfasst werden, indem auch sehr große Unternehmen, die beaufsichtigte Finanzunternehmen sind, in den Anwendungsbereich der Richtlinie einbezogen werden, selbst wenn sie keine Rechtsform mit beschränkter Haftung haben.
Erst- und Rückversicherer und Institutionen der Altersvorsorge sowie Finanzunternehmen im Allgemeinen sind explizit in Artikel 3 (a) (iv) der Richtlinie erfasst.

Laut des Vorschlags des EU-Parlaments soll der Anwendungsbereich auf bestimmte Unternehmen aus Drittstaaten ausgeweitet werden. Außerdem sollen obligatorische Sorgfaltsprüfungen für Finanzdienstleistungen gelten. Darüber hinaus soll die Vergütung der Unternehmensleitung an die Erreichung von Nachhaltigkeitszielen und Emissionsreduktionszielen geknüpft werden. Es werden zivilrechtliche Haftungsbestimmungen eingeführt, und es wird sichergestellt, dass Geschädigte Zugang zu Rechtsmitteln haben.

Der Europäische Rat hingegen schlägt vor, die Sorgfaltspflichten auf die Aktivitätskette zu begrenzen. Die Phase der Nutzung der Produkte oder die Erbringung von Dienstleistungen wäre dabei ausgenommen. Außerdem schlägt der Rat eine Überprüfungsklausel vor, um Schwellenwerte der Anwenderkreise ggf. nachjustieren zu können. Der Rat strebt auch an, die Voraussetzungen für die zivilrechtliche Haftung zu klären, indem er die gesamtschuldnerische Haftung von Unternehmen, Tochterunternehmen und Geschäftspartnern präzisiert. Darüber hinaus wird angestrebt, die Schutzklausel für Unternehmen mit vertraglichen Zusicherungen von indirekten Geschäftspartnern zu streichen.

Die Pflichten

Die Sorgfaltspflichten der Unternehmen beziehen sich „auf tatsächliche und potenzielle negative Auswirkungen (…) in Bezug auf ihre eigenen Tätigkeiten, die Tätigkeiten ihrer Tochterunternehmen und die Tätigkeiten von Unternehmen in der Wertschöpfungskette, mit denen das Unternehmen eine etablierte Geschäftsbeziehung unterhält“ (Artikel 1). Die Wertschöpfungsketten sind sowohl aufwärts auf allen Ebenen der Zulieferer wie auch abwärts auf den Ebenen der Abnehmer zu berücksichtigen. Ob Geschäftsbeziehungen als „etabliert“ gelten, soll regelmäßig, mindestens jedoch alle zwölf Monate, bewertet werden.

Bei Finanzdienstleistern umfasst die „Wertschöpfungskette in Bezug auf die Erbringung dieser spezifischen Dienstleistungen nur die Tätigkeiten der Kunden, die solche Darlehen, Kredite und andere Finanzdienstleistungen erhalten, sowie andere Unternehmen derselben Gruppe, deren Tätigkeiten mit dem betreffenden Vertrag verbunden sind. Die Wertschöpfungskette solcher beaufsichtigten Finanzunternehmen umfasst nicht KMU, die Darlehen, Kredite, Finanzmittel, Versicherungs- oder Rückversicherungsleistungen von solchen Unternehmen erhalten“ (Artikel 3 (g)).

Um welche Menschen- und Grundrechte es sich handelt, ergibt sich aus dem Anhang zum Gesetz. In diesem siebenseitigen Annex werden auch die zugrunde gelegten internationalen Menschenrechtskonventionen genannt sowie die Verstöße gegen Ziele und Verbote internationaler Vereinbarungen zum Umweltschutz. Ziele und Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels sind im Annex nicht aufgeführt, werden jedoch explizit in Artikel 15 der Richtlinie aufgegriffen. Danach haben die Mitgliedstaaten dafür zu sorgen, dass große Unternehmen (mehr als 500 Mitarbeiter und mehr als 150 Millionen Euro Jahresnettoumsatz) darlegen, wie ihr Geschäftsmodell und ihre Strategie mit dem Übergang zu einer nachhaltigen Wirtschaft und der Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5°C gemäß dem Pariser Abkommen vereinbar sind und inwieweit der Klimawandel ein Risiko für die Unternehmenstätigkeit darstellt bzw. sich darauf auswirkt.

Unternehmen, die unter den Anwendungsbereich fallen, müssen einen Sorgfaltspflichtenprozess etablieren, mit dem sie Verstöße identifizieren, vermeiden oder zumindest minimieren und beenden können. Das Verfahren muss beschrieben und ein Verhaltenskodex eingeführt werden. Zudem ist dieser Due-Diligence-Prozess regelmäßig zu überwachen und in die Unternehmensstrategie zu integrieren. Die Unternehmen müssen über die Umsetzung der Vorgaben regelmäßig berichten. Diese Berichtspflicht gilt jedoch nicht für Unternehmen, die bereits nach der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) publizitätspflichtig sind.

Für Finanzunternehmen gelten zwei wichtige Ausnahmen. Zum einen müssen sie, wenn sie Kredite, Darlehen oder andere Finanzdienstleistungen   anbieten, die tatsächlichen und potenziellen negativen Auswirkungen auf Menschenrechte und Umwelt nur vor der Erbringung dieser Dienstleistung identifizieren (Artikel 6 (3)). Zum anderen gilt für die Vermeidung und Beendigung der negativen Auswirkungen, dass Finanzunternehmen nicht verpflichtet sind, den Kredit-, Darlehens- oder sonstigen Finanzdienstleistungsvertrag zu kündigen, wenn zu erwarten ist, dass dies der Einrichtung, für die diese Dienstleistung erbracht wird, einen erheblichen Schaden zufügt (Artikel 7 (6) bzw. Artikel 8 (7)). Für Versicherer bedeutet dies, dass sie sich in ihren Prüfprozessen innerhalb des Underwritings vor allem auf die Zeichnung von neuen Risiken konzentrieren sollen.

Die Regeln werden durchgesetzt durch:

  • Verwaltungsaufsicht: Die Mitgliedstaaten benennen eine Behörde zur Überwachung und Verhängung „wirksamer, verhältnismäßiger und abschreckender“ Sanktionen, die sich am Umsatz orientieren. Auf europäischer Ebene richtet die Kommission ein europäisches Netz von Aufsichtsbehörden für ein koordiniertes Vorgehen ein.
  • Zivilrechtliche Haftung: Die Unternehmen haften für den Schaden aus einer Handlung eines direkten Geschäftspartners in der Wertschöpfungskette. Bei indirekten Geschäftspartnern müssen Maßnahmen zur Vermeidung eines Schadens getroffen worden sein, um die Haftung auszuschließen.

Nach Artikel 25 sollen die Mitgliedstaaten Vorschriften für die Pflichten der Unternehmensleiter erlassen. Sichergestellt werden soll, dass die Mitglieder der Unternehmensleitung „bei Ausübung ihrer Pflicht, im besten Interesse des Unternehmens handeln, die kurz-, mittel- und langfristigen Folgen ihrer Entscheidungen für Nachhaltigkeitsaspekte berücksichtigen, gegebenenfalls auch die Folgen für Menschenrechte, Klimawandel und Umwelt“. Die Richtlinie regelt keine Folgen von Pflichtverletzungen.

Opfer von Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden sollen auch dann Schadenersatzansprüche geltend machen können, wenn das Recht des Mitgliedstaats dies nicht vorsieht, sie aber aus der Nichteinhaltung dieser Richtlinie entstanden sind.

Exkurs: Das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz

Nach dem deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz müssen deutsche Unternehmen mit mehr als 3.000 Beschäftigten seit dem 1. Januar 2023 (ab Januar 2024: ab 1.000 Beschäftigte) ihre globalen Wertschöpfungsketten auf Verstöße gegen Menschenrechte nach der UN-Charta sowie gegen geltende Umweltgesetzgebung prüfen. Die Unternehmen müssen einen entsprechenden Prozess mit Risikoanalysen, Präventions- und Abhilfemaßnahmen, zum unternehmensinternen Beschwerdeverfahren sowie zur Dokumentations- und Berichtspflicht aufsetzen und haften für Schäden, die sich aufgrund mangelnder Sorgfalt hieraus ergeben. Die Sorgfaltspflichten gelten nur für den eigenen Geschäftsbereich und unmittelbare Zulieferer. Für mittelbare Zulieferer bestehen Pflichten „nur anlassbezogen bei Kenntnis über mögliche Rechtsverletzung“. Im Gegensatz zur CSDDD bleibt die nachgelagerte Lieferkette der Versicherer – und somit insbesondere der Aspekt, welche Risiken gezeichnet werden – damit außerhalb des Anwendungsbereiches.

Auch Vorteile für Versicherer

Im originären Geschäft Versichern, aber auch in der Kapitalanlage erwachsen der Assekuranz aus der geplanten Richtlinie neue Pflichten, sofern es sich um „etablierte“ Geschäftsbeziehungen mit Partnern ausreichender Größe handelt.

Die Richtlinie birgt aber auch Vorteile – beispielsweise bei der Kalkulation und dem Underwriting von Betriebsunterbrechungsschäden in der versicherungsnehmenden Industrie. Die Lieferkettenregulierung dürfte das tiefer gehende Lieferkettenmanagement in der Industrie zum Standard machen. Das bringt den (produzierenden) Unternehmen neue Erkenntnisse über Verflechtungen und Konzentrationen ihrer Lieferanten und sollte sie zu mehr Prävention veranlassen. Das tiefere Wissen über die Lieferkette könnte den Versicherern zu risikoadäquateren Prämien verhelfen.

Zum Nach- und Weiterlesen:

Factsheet: Die Corporate Sustainability Due Diligence Directive

 

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