Obwohl die Europäische Zentralbank (EZB) Anfang März 2025 zum sechsten Mal in Folge die Leitzinsen gesenkt hat, sind die aktuellen Überschussbeteiligungen in der Lebensversicherung etwas nach oben gegangen. Gegenüber dem Vorjahr hat sich der Aufwärtstrend allerdings verlangsamt und längst nicht alle Anbieter gehen die Erhöhung mit. Trotz wirtschaftlicher Unsicherheiten zeigt unsere aktuelle Studie zu den Überschussbeteiligungen und Garantien, dass sich die Stimmung unter den Lebensversicherern etwas verbessert hat. Insbesondere Fondspolicen und die betriebliche Altersvorsorge (bAV) erweisen sich als Geschäftstreiber, während die klassische Lebensversicherung auch unter höheren Deklarationen und dem gestiegenen Höchstrechnungszins weiterhin von untergeordneter Bedeutung ist.
Die Einschätzungen der Versicherer lassen sich über Indexwerte vergleichen. Diese ergeben sich aus den gemittelten Einzelantworten auf einer Skala von sehr negativ (-2), negativ (-1), neutral (0), positiv (+1) bis sehr positiv (+2). In unserer aktuellen Umfrage liegt die Geschäftslage in der Branche mit einem Indexwert von 0,18 höher als im Vorjahr (-0,03), und auch die Geschäftserwartungen für 2025 haben sich mit 0,19 gegenüber 2024 (0,13) leicht erholt. Dennoch bleiben die Anbieter vorsichtig. Kein Studienteilnehmer bewertet seine Gesamtgeschäftslage oder -erwartungen als sehr positiv. Gründe für die verhaltene Prognose dürften vor allem das schwache wirtschaftliche Gesamtumfeld, die unsicheren Zins- und Inflationsaussichten und die angespannte weltpolitische Lage sein.
Zwischen den einzelnen Produktsegmenten lassen sich aus den Studiendaten deutliche Unterschiede identifizieren:
- Fondspolicen ohne Garantie bleiben die klare Nummer eins. Ihre Geschäftslage wird mit 1,32 Indexpunkten weit positiv bewertet (Vorjahr: 1,17). Hybride Fondspolicen mit Garantie sind mit 0,50 zwar schwächer als im vergangenen Jahr (0,70), ihnen wird aber ebenfalls noch eine positive Erwartung beigemessen (0,68).
- Die betriebliche Altersvorsorge (bAV) erweist sich trotz der schwierigen konjunkturellen Lage als potenzieller Wachstumsmotor und liegt mit einem Geschäftslage-Indexwert von 0,75 insgesamt auf dem zweiten Platz. Die Erwartungen für dieses Segment sind mit 0,82 sogar noch etwas optimistischer.
- Biometrieprodukte bleiben positiv, allen voran die Berufsunfähigkeitsversicherung. Allerdings fällt deren Bewertung mit 0,57 etwas schwächer aus als im Vorjahr (0,83). Auf etwas geringerem Niveau liegen Grundfähigkeitsversicherungen, die aber bei den Erwartungen positive Tendenzen aufweisen. Parallel zur Gesamteinschätzung der Branche entwickeln sich Risikolebensversicherungen langsam aus dem neutralen Bereich wieder nach oben.
- Konventionelle Policen liegen unverändert im negativen Bereich. Trotz eines ordentlichen Indexjahres 2024 verlieren Indexpolicen mit -0,46 Punkten weiter an Attraktivität im Vergleich zum Vorjahr (-0,18). Die klassische Lebensversicherung bleibt mit -1,14 weiterhin das Schlusslicht, zeigt allerdings eine leichte Verbesserung gegenüber dem Vorjahr (-1,23). Im Vergleich dazu schneidet die Neue Klassik noch am besten ab (-0,43).
- Sterbegeldversicherungen schwanken mit leichtem Positivtrend um den neutralen Bereich. Pflegeversicherungen und Dread-Disease-Policen spielen im Lebensversicherungsmarkt eine untergeordnete Rolle.
Grafisch lassen sich die Einschätzungen für 2025 wie folgt einordnen:
Ein Vergleich mit den Studienergebnissen der vergangenen Jahre zeigt, dass Fondspolicen durchweg positive bis sehr positive Bewertungen erhalten, während klassische Modelle – mit Ausnahme der bAV – an Bedeutung verloren haben. Zwar tragen höhere Überschussbeteiligungen und der gestiegene Höchstrechnungszins aktuell zu einer besseren Prognose bei, allerdings reicht dies nicht aus, um eine Renaissance der klassischen Lebensversicherung zu bewirken.
Der anhaltende Trend in Richtung Fondspolicen bedeutet zugleich, dass kollektive Ausgleichsmechanismen über die Deckungsstöcke der Anbieter, wie sie die Lebensversicherung traditionell prägen, sukzessive an Bedeutung verlieren. Stattdessen dominieren Fondsinvestitionen und direkte Kapitalmarktbeteiligungen das Altersvorsorgegeschäft der Gesellschaften. Dadurch sieht sich die Branche verstärkt dem Wettbewerb mit Banken und Investmentanbietern ausgesetzt. Einfacher dürfte das Neugeschäft dadurch nicht werden. Laut dem Gesamtverband der deutschen Versicherer (GDV) konnte die Branche 2024 zumindest beim Einmalbeitrag wieder ein deutliches Plus verzeichnen. Beim laufenden Beitrag hingegen traten die Lebensversicherer im vergangenen Jahr auf der Stelle.
Dennoch signalisieren die Studienergebnisse einen Lichtblick, sowohl insgesamt als auch besonders in bestimmten Produktsegmenten. Die kommenden Monate werden zeigen, ob sich die Einschätzungen bestätigen oder ob externe wirtschaftliche und politische Faktoren für Rückschläge sorgen. Positiv könnten sich die gesunkene Inflation und die gestiegenen Reallöhne auswirken. Dennoch wird die allgemeine Wahrnehmung von weiterhin sehr hohen Preisen die Bevölkerung vermutlich dazu bewegen, weniger in langfristige Altersvorsorgeprodukte zu investieren. Stattdessen könnte ein „Vorsichtssparen“ zunehmen, bei dem Geld für schlechte Zeiten zurückgelegt wird. Hinzu kommen regulatorische Herausforderungen, die die Produktgestaltung und den Geschäftserfolg der Lebensversicherer beeinflussen werden.
Autor: Lars Heermann, Bereichsleiter Assekurata Rating-Agentur GmbH