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Mehr als nur Zahlen: Wie PAI-Statements Lebensversicherer bei der ESG-Transformation unterstützen können

Nachhaltigkeit ist heute ein zentrales Thema für alle Bereiche der Versicherungsbranche – vom Vorstand über Kapitalanleger bis hin zu Nachhaltigkeitsmanagern und Vertriebsteams. Sie alle müssen nachhaltige Entscheidungen treffen, sei es bei Investitionen, Unternehmensstrategien oder Produktplatzierungen. Die größte Herausforderung bleibt die unzureichende Datenlage zu ESG-Faktoren. Um ESG-Ziele zu erreichen und Portfolios nachhaltig zu steuern, sind belastbare KPIs und präzisere ESG-Daten unverzichtbar. Diese sind nicht nur für Kapitalanleger wichtig, sondern auch für Berater, die fundierte Empfehlungen aussprechen müssen.

Die „Principal Adverse Impact (PAI)“-Statements der Lebensversicherer sollen mehr Transparenz schaffen, indem sie objektive und vergleichbare Daten zu Kapitalanlagen und Produkten liefern.
Im Rahmen unserer Analyse haben wir die PAI-Statements von 64 deutschen Lebensversicherern untersucht. Diese Berichterstattung ist Teil der Offenlegungsverordnung und gilt ausschließlich für kapitalbildende Lebensversicherungsprodukte. Andere Versicherungstypen wie biometrische, Sach- und Krankenversicherungen sind von der Berichtspflicht ausgenommen.
Die PAI-Statements beziehen sich dabei auf das Sicherungsvermögen des jeweiligen Versicherers. Zwar zeigen die diesjährigen Statements einige Fortschritte, doch bleibt die Aussagekraft vieler Kennzahlen aufgrund von Unklarheiten und unterschiedlichen Interpretationen weiterhin begrenzt.

Vergleichbarkeit der Indikatoren: Datenverfügbarkeit und Bezugsgrößen

Ein zentrales Hindernis für die Vergleichbarkeit der PAI-Statements bleibt die Datenverfügbarkeit. Die meisten Versicherer geben an, wie hoch die Datenabdeckung („Coverage“) für einzelne Indikatoren ist. Allerdings lassen neun der 64 Versicherer diese Angaben vage oder ganz offen, was die Aussagekraft der Indikatoren bei diesen Unternehmen einschränkt. Unsere Analyse zeigt außerdem, dass die Datenabdeckung je nach Indikator stark variiert. Indikatoren zu Treibhausgasemissionen (PAI 1 bis 3) oder zu Investitionen in umstrittene Waffen (PAI 14) haben mit rund 63 % eine vergleichsweise hohe Coverage, da solche Daten für börsennotierte Unternehmen häufig verfügbar sind. Für Indikatoren wie den Gender Pay Gap (PAI 12), gefährlichen Abfall (PAI 9) oder Emissionen in Wasser (PAI 8) fehlen hingegen oft nahezu alle Angaben. Bei PAI 8 liegt die durchschnittliche Datenabdeckung beispielsweise nur bei 7,87 %, was die Aussagekraft deutlich einschränkt.

Erschwerend kommt hinzu, dass die Datenlage maßgeblich durch die genutzten Datenprovider beeinflusst wird. Unsere Analyse zeigt, dass die Mehrheit der Lebensversicherer (41 von 64) den externen Datenprovider MSCI-ESG nutzt, während 19 Versicherer auf ISS-ESG zurückgreifen. Elf Unternehmen nennen den genutzten Datenprovider gar nicht. Große Versicherer wie die Allianz und die R+V kombinieren sogar mehrere Datenprovider, um eine höhere Datenabdeckung zu erzielen. Teilweise werden auch Schätzwerte sowie selbst erhobene Daten, wie etwa aus dem Bereich der eigengenutzten Immobilien, verwendet, um Datenlücken zu füllen. Die Wahl des externen Datenproviders hat dabei nicht nur Einfluss auf die Datenabdeckung, sondern auch auf die Höhe der berichteten Werte, da Unterschiede in den Erhebungs- und Berechnungsgrundlagen bestehen können.

Ein weiteres Problem ist die uneinheitliche Verwendung von Bezugsgrößen. Die meisten Versicherer (41 von 64) beziehen die Angaben zur Coverage auf die relevanten Investitionen („Eligible Assets“), also auf den Anteil der Asset-Klasse, für den Daten vorliegen sollten. Dieser Ansatz ist präzise und ermöglicht eine genaue Darstellung der Datenabdeckung. Allerdings weichen 14 Versicherer davon ab und beziehen sich auf die gesamte Kapitalanlage („All Assets“). Dies führt tendenziell zu niedrigeren Abdeckungswerten und erschwert den Vergleich der Unternehmen, insbesondere je nach Zusammensetzung des Portfolios. Einige wenige Versicherer versuchen, beide Ansätze zu berücksichtigen und geben daher mehrere Werte an, um die Transparenz zu erhöhen.
Noch relevanter ist die Wahl der Bezugsgröße beim Indikator selbst, wenn dieser als Verhältniskennzahl, also in Prozent der Kapitalanlagen angegeben wird. Unsere Analyse zeigt, dass dabei drei verschiedene Bezugsgrößen verwendet werden: die gesamte Kapitalanlage („All Assets“), die Asset-Klasse („Eligible Assets“) und der Anteil der Asset-Klasse, für den Daten vorliegen („Covered Eligible Assets“). Das führt zu unterschiedlichen Ergebnissen, insbesondere bei der Berechnung von Kennzahlen wie dem CO2-Fußabdruck.

Nehmen wir an, zwei Versicherer messen gleich hohe (absolute) Treibhausgasemissionen in ihrem Portfolio. Wenn der eine Versicherer die Emissionen durch das gesamte Portfolio teilt, während der andere sie nur durch den Teil der Assetklasse dividiert, für den Daten vorliegen, ergeben sich deutlich unterschiedliche Kennzahlen. Der erste Versicherer erhält aufgrund des größeren Werts im Nenner einen kleineren CO2-Fußabdruck als der zweite. Von den 64 untersuchten Versicherern nutzen 32 den konservativsten Ansatz mit „Covered Eligible Assets“, 21 beziehen sich auf „All Assets“, und drei verwenden „Eligible Assets“, ohne die Datenverfügbarkeit zu berücksichtigen. Der Ansatz mit „Covered Eligible Assets“ wird als der präziseste angesehen, da er nur tatsächlich verfügbare Daten für die relevanten Investitionen berücksichtigt. Hierbei sind die Werte in der Regel zunächst höher, da der Nenner deutlich kleiner ist. Allerdings bleibt die Angabe der verwendeten Bezugsgröße in vielen Fällen unklar: Bei elf Versicherern konnte die genaue Bezugsgröße nicht eindeutig ermittelt werden.

Fokusthemen und erste Ergebnisse

Trotz ihrer Limitierungen bieten die PAI-Statements wertvolle und belastbare Einblicke. Ein zentrales Thema ist der Klimaschutz. Sei es die Reduktion von Treibhausgasemissionen, der CO2-Fußabdruck, die Emissionsintensität oder Investitionen in fossile Brennstoffe, Investitionen in klimafreundliche Unternehmen spielen eine zentrale Rolle, sodass die klimabezogenen PAIs eine dominante Stellung einnehmen: Die Hälfte der 18 obligatorischen PAIs fokussiert auf Klimaschutz und Energieverbrauch. Dies spiegelt den regulatorischen Fokus auf Klimaziele wider, wie sie auch in der EU-Taxonomie festgelegt sind. Für Versicherer stellt der CO2-Fußabdruck eine zentrale Kennzahl zur Portfolio-Steuerung dar und viele verfolgen mittlerweile ambitionierte Ziele, um bis 2050 Klimaneutralität zu erreichen.

Allerdings befinden sich die Versicherer auf dem Weg zu Net-Zero in unterschiedlichen Phasen. Auch wenn es schwierig ist, einzelne Indikatoren direkt zu benchmarken, zeigen die Ergebnisse bei vielen Kennzahlen klare Unterschiede. Ein gutes Beispiel hierfür ist der CO2-Fußabdruck: Der Durchschnittswert liegt bei 272,75 t CO2 pro Million Euro Kapitalanlage. Der positive Vergleich zum Vorjahr (2022: 289,33 t CO2/Mio. EUR) verdeutlicht die Wirkung der getroffenen Maßnahmen und unterstreicht die Bedeutung des CO2-Fußabdrucks als wichtiges Steuerungselement im Bereich der nachhaltigen Kapitalanlagen. Allerdings reicht die Spannweite von 22,63 bis zu 623,03 t CO2 pro Millionen Euro, was die unterschiedlichen Ansätze und Fortschritte der Unternehmen widerspiegelt.

Wie zu erwarten, fallen die Werte für Unternehmen, die den „All-Assets“-Ansatz verwenden mit durchschnittlich 166,78 t CO2/Mio. EUR geringer aus als bei denen, die „Covered Eligible Assets“ als Bezugsgröße nutzen (311,25 t CO2/Mio. EUR).

Neben den ökologischen Aspekten umfassen die PAI-Statements auch wichtige soziale Indikatoren. Hierzu zählen beispielsweise Verstöße gegen den UN Global Compact sowie Investitionen in Staaten, die soziale oder ökologische Standards verletzen. Eine besonders detaillierte Berichterstattung findet sich zudem bei Immobilieninvestitionen (PAI 17 und PAI 18), wo spezielle Berechnungsgrundlagen angewendet werden, um die Umweltleistung zu bewerten und konkrete Maßnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz aufzuzeigen.

Der beliebteste fakultative Indikator: PAI E4

Von den 46 fakultativen PAI-Indikatoren, die Versicherer optional berichten können, wurden 27 in der Praxis tatsächlich genutzt. Besonders häufig wählen die Versicherer den Indikator, der Investitionen in Unternehmen ohne CO2-Reduktionsinitiativen thematisiert. Dieser Indikator wird von 48 der 64 analysierten Versicherer gemeldet und weist eine hohe Coverage von durchschnittlich 62,35 % auf, was ihn besonders aussagekräftig macht. Der Fokus auf Treibhausgasemissionen zeigt sich auch in den Investitionen: Im Durchschnitt fließen 33,74 % der Investitionen der Versicherer in Unternehmen, die keine CO2-Reduktionsmaßnahmen umsetzen. Dies stellt eine Verbesserung gegenüber 36,28 % im Vorjahr dar und verdeutlicht die Fortschritte im Hinblick auf nachhaltigere Investitionsstrategien.

Dass der PAI E4-Indikator so oft gewählt wird, liegt nicht nur an der guten Datenqualität, sondern auch daran, dass er die Dekarbonisierungsziele der Versicherer unterstützt. Für viele Versicherer ist die Überwachung dieses Indikators ein wichtiges Steuerungsinstrument, selbst wenn derzeit noch keine direkten Maßnahmen daraus abgeleitet werden. Er wird zudem oft als ESG-Kriterium in Zusammenarbeit mit externen Managern genutzt.

Qualitative Analyse von Maßnahmen

Neben den quantitativen Angaben bieten die PAI-Statements wertvolle Einblicke in die Maßnahmen, die Versicherer zur Erreichung ihrer Nachhaltigkeitsziele ergreifen. Besonders bei Treibhausgasemissionen verfolgen viele Versicherer klare Reduktionsstrategien. Teilweise werden diese durch den Beitritt in Initiativen wie der Net-Zero Asset Owner Alliance unterstützt, mit dem Ziel, die Emissionen bis 2050 auf null zu senken. Dies geschieht häufig durch gezielte Investitionen in klimafreundliche Anlagen und die Desinvestition aus fossilen Brennstoffen.
Die qualitative Analyse der Maßnahmen zeigt, dass die Versicherer unterschiedlich konkret zu ihren Maßnahmen innerhalb der PAI-Statements berichten. Einige Unternehmen gehen detailliert auf spezifische Indikatoren ein, während andere ihre allgemeine Nachhaltigkeitsstrategie zusammenfassen und auf weiterführende Dokumente verweisen, wie die Kapitalanlagestrategie oder Kapitalanlagerichtlinien, in denen zusätzliche Informationen zu Ausschlusskriterien oder normbasiertem Screening zu finden sind. Es ist wichtig zu betonen, dass die knappen Informationen in den PAI-Statements nicht zwangsläufig auf ein geringes Ambitionsniveau hindeuten, da viele Versicherer ihre Nachhaltigkeitsstrategie auch über andere Kanäle kommunizieren.

Fazit: PAI-Statements als Steuerungsinstrument

Die PAI-Statements sind ein zentrales Instrument, um die Nachhaltigkeit in der Kapitalanlage zu messen und weiterzuentwickeln. Trotz der Herausforderungen durch unterschiedliche Bezugsgrößen und Datenverfügbarkeiten liefern sie wertvolle Erkenntnisse zu wichtigen Indikatoren. Da die PAI-Statements dieses Jahr bereits zum zweiten Mal veröffentlicht wurden, lassen sich zudem bereits erste Vorjahresvergleiche anstellen.

Unsere Analyse zeigt, dass der reine Vergleich der ungefilterten berichteten Werte oft irreführend ist. Aspekte wie unterschiedliche Bezugsgrößen und Datenabdeckung müssen bei einer sinnvollen Gegenüberstellung stets bedacht werden. Mit der richtigen Berücksichtigung dieser Aspekte sowie einer gezielten Auswertung und Segmentierung der Daten lässt sich jedoch die Einordnung der Kennzahlen eines Versicherers im Markt vornehmen. So können Lebensversicherer den Erfolg ihrer Nachhaltigkeitsstrategie im Bereich der Kapitalanlage präzise messen und mit quantitativen Daten unterlegen.

 

Autor: Romina Röpke (Senior-Analystin Assekurata Rating-Agentur GmbH)

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