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Zwischen Umweltmanagementsystemen und lokalen Förderprojekten – Welche Orientierung liefern Nachhaltigkeitsberichte in der Versicherungswirtschaft?

Zwischen Umweltmanagementsystemen und lokalen Förderprojekten – Welche Orientierung liefern Nachhaltigkeitsberichte in der Versicherungswirtschaft?

Nachhaltigkeit ist der Begriff der letzten Jahre. Wurde der Begriff vor einiger Zeit bei den meisten Leuten noch mit langbärtigen Ökos mit Jutebeutel, Birkenstocks und selbstgefärbtem Batik-Shirt assoziiert, ist der Nachhaltigkeitstrend längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Insbesondere im Handel und in der Konsumgüterindustrie ist das wachsende Interesse der Konsumenten am Thema Nachhaltigkeit schon jetzt spürbar. Die Verbraucher beschäftigen sich intensiver mit der Herkunft von Produkten, den Umständen der Herstellung, den verwendeten Rohstoffen und der Entsorgung von Gütern. “Bio” gilt für viele als Qualitätsmerkmal und in beinahe allen Discounterregalen finden sich mittlerweile wie selbstverständlich auch vegane Lebensmittel.

Somit wächst der Druck auf Unternehmen, sich mit dem Thema Nachhaltigkeit ernsthaft auseinanderzusetzen. Dies trifft auch auf die Finanzbranche zu, denn neben nachhaltigen Produkten und Dienstleistungen von nachhaltig wirtschaftenden Unternehmen stehen auch Möglichkeiten nachhaltiger Geldanlagen hoch im Kurs. immer mehr Menschen interessieren sich dafür, was mit dem Geld passiert, das sie Banken und Versicherungen anvertrauen.

Allerdings besteht hier unternehmensseitig durchaus noch Luft nach oben, wie das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in seinem Bericht zur Ökologischen Nachhaltigkeit in deutschen Unternehmen 2018 herausarbeitete. Demnach messen gerade die Branchen „Energie, Wasserversorgung und Abfall“, „Chemie und Pharmazie“ sowie „Bergbau“ der ökologischen Nachhaltigkeit im Vergleich zu anderen Branchen eine sehr hohe Bedeutung zu. Während im Durchschnitt der befragten Industrien rund 53 % der Befragten ökologische Nachhaltigkeit für sehr wichtig oder wichtig halten, liegt der Wert bei den Vertretern der Finanz- und Versicherungsdienstleistungen lediglich bei knapp 38,5 %.

Aber es tut sich etwas – natürlich zunächst auf politischen Druck: Spätestens mit dem Aktionsplan der EU-Kommission für ein nachhaltiges Finanzwesen vom Frühjahr 2018 und der Einsetzung des Sustainable-Finance-Beirats der Bundesregierung im Juni 2019 rückten auch die Finanzmärkte, Banken, Vermögensverwalter und Versicherer in den Fokus der Nachhaltigkeitsdebatte. So müssen in Deutschland seit 2018 große kapitalmarktorientierte Unternehmen und Konzerne, also auch Versicherer, mit mehr als 500 Mitarbeitern jährlich über ihre Corporate Social Responsibility (CSR) berichten. Die betroffenen Gesellschaften müssen in dieser Erklärung Angaben zu Umwelt-, Arbeitnehmer- und Sozialbelangen, zur Achtung der Menschenrechte und zur Korruptionsbekämpfung machen. 40 Gesellschaften haben im vergangenen Jahr Interessenten einen eigenständigen Nachhaltigkeitsbericht online zur Verfügung gestellt. Aber auch andere Pflichtberichte, wie beispielsweise Geschäftsberichte oder gesonderte Veröffentlichungen zur Klimaberichterstattung werden von einigen Unternehmen dazu genutzt, um verschiedene Aspekte ihrer Nachhaltigkeit offenzulegen.

Ein Wermutstropfen: Die Aussagekraft der CSR-Berichte ist in der derzeitigen Form in vielen Fällen begrenzt. Die dort abgebildeten Informationen sind häufig selektiv – je nachdem, welchen Schwerpunkt das Unternehmen setzt. Während manche Versicherer beispielsweise die Kapitalanlagerichtlinien unter den Environmental-Social-Governance (ESG)-Gesichtspunkten in den Vordergrund stellen, berichten andere Versicherer ausführlich über das interne Umweltmanagementsystem. Große Versicherungskonzerne setzen den Schwerpunkt zumeist auf den Klimawandel, kleinere Versicherungsgruppen und Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit hingegen stellen oft soziale Themen, wie beispielsweise lokale Förderprojekte, heraus.

Dazu kommt, dass sich die einzelnen Daten nur schwer unternehmensübergreifend vergleichen lassen – auch wenn Informationen über die gleiche Kennzahl zur Verfügung gestellt werden. Dies liegt zum einen daran, dass die Zahlen sich hinsichtlich ihrer Bezugsgrößen unterscheiden. So ziehen manche Unternehmen beispielsweise bei der Ermittlung der verursachten CO2-Emissionen nur den (Haupt-)Sitz zur Datenerhebung heran, während andere auch weitere Standorte miteinrechnen. Die häufig verwendete Bezugsgröße der Mitarbeiter geben manche als Vollzeitäquivalent (VZÄ oder FTE), andere als Gesamtanzahl aller Voll- und Teilzeitkräfte an. Und manche Kennzahlen wie beispielsweise zum Energieverbrauch unterscheiden sich unternehmensübergreifend bei der verwendeten Einheit.

Hinzu kommt, dass das CSR-Richtlinienumsetzungsgesetz (CSR-RUG) eine Berichterstattung auf Konzernebene erlaubt. Dies ist grundsätzlich sinnvoll, da Umwelt- und Mitarbeiterkennzahlen innerhalb einer komplexen Konzernstruktur oft nicht auf Einzelunternehmensebene heruntergebrochen werden können. Trotzdem erscheint ein Vergleich einer multinationalen Versicherungsgruppe mit einem kleinen, regionalen VVaG auf dieser Basis schwierig.

Dessen ungeachtet gewinnt das Thema der CSR-Berichterstattung weiter an Bedeutung. Auf regulatorischer Ebene verlangen neue Gesetzesinitiativen der EU, wie die Transparenzverordnung und die EU-Taxonomie, eine Erweiterung der Offenlegungspflichten nicht-finanzieller Informationen. Laut Experten dürfte die europäische Non-Financial Reporting Directive, auf die sich das deutsche CSR-RUG stützt, noch in diesem Jahr gerade im Hinblick auf die Veröffentlichungspflichten überarbeitet und spezifiziert werden.

Anfang 2021 veröffentlichte der Gesamtverband der Versicherungswirtschaft (GDV) nun seine Nachhaltigkeitspositionierung. Unter den Überschiften Nachhaltige und klimafreundliche Geschäftsprozesse, Nachhaltige und klimafreundliche Kapitalanlagen, Nachhaltige und klimafreundliche Versicherung von Risiken, Nachhaltige und klimafreundliche Produkte und Schadenregulierung, Transparenz, Forschung und Wissenstransfer formuliert der Branchenverband darin konkrete Ziele, die das gesamte Geschäftsmodell umfassen. Die Umsetzung soll laut Verbandsangaben dazu dienen, den spezifischen gesellschaftlichen Beitrag der Versicherer sichtbar zu machen.

Bereits heute sehen viele Versicherer die CSR-Berichtserstattung nicht bloß als regulatorische Pflicht, sondern vielmehr als echte Chance, Interessenten transparent über die eigene Nachhaltigkeit zu informieren und sich diesbezüglich im Markt zu positionieren.

Vertrieblich steht zurzeit vor allem die fondsgebundene Lebensversicherung im Vordergrund. Ein großer Teil der Versicherer bietet den Kunden im Rahmen der freien Fondsanlage vermehrt nachhaltig investierende Fonds an. Zudem setzen immer mehr Lebensversicherer auf die Integration von ESG-Kriterien in ihre Kapitalanlagepolitik, sodass auch die Gelder des Deckungsstocks nachhaltiger angelegt werden.

Spätestens im Zuge der geplanten Änderung der IDD, nach der Versicherungsvermittler die Nachhaltigkeitspräferenzen der Kunden im Beratungsgespräch abfragen müssen, wird das Thema im Vertrieb noch mehr an Relevanz gewinnen. Auch in den anderen Versicherungssparten zeichnet sich eine entsprechende Entwicklung ab. Einige Anbieter statten bereits jetzt Sach- oder Krankenversicherungsprodukte mit Nachhaltigkeitsmerkmalen aus. Beispiele sind eine CO2-Kompensation mit der Prämienzahlung oder eine nachhaltige Schadenerstattung. Aktuell fehlt es jedoch insgesamt noch an Orientierung im Markt hinsichtlich der Nachhaltigkeit vieler Versicherer.

Nachhaltigkeit ist das Thema der Zukunft. Auch die Versicherungswirtschaft soll nach Aussage des GDV erkennbar nachhaltiger werden. Die ASSEKURATA Assekuranz Rating-Agentur GmbH entwickelt derzeit gemeinsam mit Pilot-Unternehmen eine speziell auf das Geschäftsmodell von Versicherern ausgerichtete Methodologie für ein umfassendes Nachhaltigkeitsrating.
In diesem Zusammenhang ist das Kölner Analysehaus in der Studie Nachhaltigkeit der Versicherer aus Kundensicht „gezielt der Frage nachgegangen, welchen Stellenwert Versicherungskunden dem Thema Nachhaltigkeit beimessen und wie sie dieses bei (ausgewählten) größeren Versicherern wahrnehmen und beurteilen.

Sie haben Fragen zur Studie, oder wollen mehr zu unserem interaktiven Nachhaltigkeitsbewertungsansatz erfahren? Kontaktieren Sie uns gerne:
Dr. Reiner Will
Geschäftsführer
reiner.will(at)assekurata.de
+49 (0) 221 272 21-28
 Lars Heermann 
Bereichsleiter Analyse
lars.heermann(at)assekurata.de
+49 (0) 221 272 21-48

Autor: Russel Kemwa (Pressesprecher ASSEKURATA Rating-Agentur GmbH)